Reaktionen zum Krieg in der Ukraine: Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bemängelt erneut die langen Wartezeiten bei den Waffenlieferungen in die Ukraine. Auch dass der Bundeskanzler erneut eine Reise in die Ukraine ausgeschlagen hat, kritisiert der Botschafter.
Noch kritischer äußerte sich der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow über Olaf Scholz. In einem politischen Forum nannte er den Bundeskanzler „schizophren“. Alle aktuellen Entwicklungen zum Ukraine-Konflikt findet ihr außerdem in unserem Nachrichten-Ticker.
Update vom 20.05.2022, 10 Uhr: Melnyk kritisiert Scholz: Kanzler will nicht liefern
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut eine zögerliche Haltung bei der Lieferung schwerer Waffen vorgeworfen. „Wir haben den Eindruck, dass der Kanzler nicht liefern will“, sagte Melnyk dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Freitag (20. Mai 2022). Auf die Frage, ob Deutschland auf Zeit spiele, antwortete Melnyk dem Bericht zufolge: „Es sieht so aus. Man kann den Eindruck gewinnen, dass man abwartet bis es zu einer Waffenruhe kommt. Dann ist der Druck von Deutschland weg und dann brauchen auch keine mutigen Entscheidungen mehr getroffen werden.“
Bislang seien weder Gepard-Panzer, noch Leopard 1 oder Marder geliefert worden, kritisierte der Botschafter. Auch der angekündigte Ringtausch mit T-72-Panzern für die Ukraine aus Slowenien habe bisher nicht geklappt.
Bislang hat die Bundesregierung grünes Licht für 50 ausgemusterte Gepard-Flugabwehrpanzer und sieben Panzerhaubitzen 2000 – schwere Artilleriegeschütze aus den Beständen der Bundeswehr – gegeben. Wann die ersten Haubitzen geliefert werden, ist nicht bekannt. Zu den Gepard-Panzern hatte Scholz am Montag gesagt, er rechne mit einer „relativ zügigen“ Bereitstellung. Er verwies aber darauf, dass dafür weiterhin Munition im Ausland gesucht werde. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), sagte der „Bild“ (Freitag), man müsse sich fragen, ob die Gepard-Ankündigung „nur ein Bluff war“.
Der Bundesregierung liegen daneben weitere Anträge der Industrie vor, über die noch keine Entscheidung bekannt ist. So hat Rheinmetall angeboten, 88 gebrauchte, aber generalüberholte Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 und 100 Marder-Schützenpanzer zu liefern. Am Mittwoch hatte Berlin aber angekündigt, Tschechien in einem sogenannten Ringtausch 15 Leopard-2-Panzer zur Verfügung zu stellen, um damit Lieferungen schwerer Waffen des Nato-Partners an die Ukraine auszugleichen.
Melnyk kritisierte erneut, dass Scholz seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine noch nicht nach Kiew gereist ist. „Dass der Regierungschef eines Staates, der sich als großer Freund der Ukraine bezeichnet, nicht nach Kiew reisen möchte, das stört und irritiert uns schon“, sagte er. „Allein diese unverständliche Zurückhaltung ist auch ein gewisses Signal, und zwar ein falsches“. Scholz hatte am Montag im Fernsehsender RTL deutlich gemacht, er wolle nur nach Kiew reisen, wenn konkrete Dinge zu regeln seien. Er sagte: „Ich werde nicht mich einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge.“
Update vom 18.05.2022, 7.50 Uhr: Wegen Waffenlieferungen: Kadyrow nennt Scholz „schizophren“
Der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, äußert sich vor dem Hintergrund der Waffenlieferungen aus Deuschland in die Ukraine kritisch über die Politik der „Zeitenwende“ von Bundeskanzler Olaf Scholz. Kadyrow sagte auf einem politischen Forum, dass sich Scholz „aufführt wie ein Schizophrener“ und nicht wie ein Staatenlenker.
Am Tag zuvor hatte auf derselben Veranstaltung bereits der russische Außenminister Sergej Lawrow den Vorwurf erhoben, Deutschland stünde unter dem Einfluss der USA. „Nachdem die aktuelle Regierung Deutschlands an die Macht kam, hat sie ihre letzten Anzeichen der Selbstständigkeit verloren“, sagte er.
Update vom 18.05.2022, 18 Uhr: Prozess gegen russischen Soldaten in Kiew
Knapp drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs hat in der ukrainischen Hauptstadt Kiew der erste Prozess wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen begonnen. Der angeklagte 21 Jahre alte Russe habe bereits zu Prozessbeginn seine Schuld gestanden, berichteten örtliche Medien am Mittwoch.
Dem Panzersoldaten Wadim S. wird die Ermordung eines 62 Jahre alten Zivilisten im Gebiet Sumy in der Nordostukraine vorgeworfen. Der Prozessauftakt wurde live im Internet übertragen. Dem aus Sibirien stammenden Unteroffizier droht nun bis zu lebenslange Haft.
Russland hatte die Ukraine Ende Februar angegriffen. Kiew wirft der russischen Armee auch gestützt auf Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen massive Kriegsverbrechen vor. Vor allem nach dem Rückzug der Russen aus den nordwestlich von Kiew gelegenen Vororten Butscha, Irpin, Hostomel und Borodjanka hatten Bilder von offensichtlich Hingerichteten weltweit für Entsetzen gesorgt.
Russland weist den Vorwurf der Kriegsverbrechen grundsätzlich von sich und beschuldigt im Gegenzug die Ukraine, russische Gefangene zu misshandeln und unter Druck zu setzen. Menschenrechtler fordern beide Seiten immer wieder auf, die Rechte der Kriegsgefangenen zu wahren.
Update vom 18.05.2022, 8.50 Uhr: Merz kritisiert Scholz – und fordert ihn auf, endlich in die Ukraine zu reisen
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat sich irritiert über Äußerungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Politikerreisen nach Kiew im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gezeigt. „Ich finde es befremdlich, dass der Bundeskanzler Ausschussvorsitzende, die Bundestagspräsidentin und die Außenministerin so apostrophiert, wie er das gestern Abend in dieser Fernsehsendung gesagt hat“, kritisierte der CDU-Chef am Dienstag vor einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Merz forderte Scholz auf, endlich selbst in die ukrainische Hauptstadt zu reisen.
Scholz hatte am Montag im Fernsehsender RTL deutlich gemacht, er wolle nur nach Kiew reisen, wenn konkrete Dinge zu regeln seien. Er sagte: „Ich werde nicht mich einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge.“
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war vergangene Woche als erstes Regierungsmitglied seit Kriegsbeginn nach Kiew gereist. Kurz vorher war bereits Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) dort. Ende April waren die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Europaausschuss-Chef Anton Hofreiter (Grüne) und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), gemeinsam zu Gesprächen in der Ukraine.
Oppositionsführer Merz selbst war Anfang Mai als erster hochrangiger deutscher Politiker in Kiew und hatte rund eine Stunde lang mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen. Merz sagte nun, wie Scholz seine Kabinettskollegin und Repräsentanten des Bundestages darstelle, zeige „auch ein bisschen, welche Stimmung in dieser Koalition mittlerweile herrscht und wie auch man untereinander umgeht“. Diesen Stil müsse der Kanzler mit sich selbst und seinem Kabinett ausmachen. Das sei „offensichtlich ein Teil seines Umgangsstils. Das muss er selbst entscheiden.“
Die Union habe die Reise Baerbocks nach Kiew mit großem Respekt begleitet, sagte Merz. „Die Außenministerin hat dort eine wichtige Reise unternommen.“ Er ergänzte: „Und wir hoffen, dass der Bundeskanzler nun auch irgendwann mal sich auf den Weg macht und die Ukraine besucht. Das wäre ein wichtiges Zeichen auch der Solidarität des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland.“
Update vom 17.05.2022, 11.20 Uhr: Scholz bekräftigt: „Gibt nur einen Ausweg für Russland“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor einer Eskalation des Ukraine-Krieges gewarnt. „Wir müssen uns Sorgen machen, dass es eine Eskalation des Krieges gibt“, sagte er gegenüber dem TV-Sender RTL. Es müsse weiter das Ziel sein, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt. Gleichzeitig warnte Scholz aber auch, nicht darüber hinauszugehen. „Das wäre angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Nuklearmacht handelt, eine ganz falsche Zielsetzung“, erklärte der Kanzler.
Außerdem machte der Kanzler deutlich, dass es keinen Frieden mit Russland geben werde, der auf einer Legalisierung eroberter Gebiete in der Ukraine fußt. „Für mich ist ganz klar, dass es für Russland nur einen Ausweg aus dieser Situation gibt, wenn es sich mit der Ukraine verständigt“, sagte Scholz.
Eine solche Verständigung sei nicht möglich, wenn die Ukraine unterschreiben solle, dass sie Gebiete abtrete. Das werde nicht funktionieren, so Scholz.
Der Bundeskanzler betonte, dass Deutschland weiter Waffen in die Ukraine liefern werde. Er rechne mit einer „relativ zügigen“ Bereitstellung der versprochenen Flugabwehrpanzer der Bundeswehr vom Typ Gepard. Er verwies aber darauf, dass dafür weiterhin Munition im Ausland gesucht werde.
Update vom 16.05.2022, 13 Uhr: Moskau bezeichnet Nato-Pläne als großen Fehler
Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow hat eine Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato als „schwerwiegenden Fehler mit weitreichenden Folgen“ bezeichnet. Die militärischen Spannungen würden dadurch zunehmen, warnte Rjabkow am Montag der Agentur Interfax zufolge. An die Adresse der beiden skandinavischen Länder fügte er hinzu: „Sie sollten keinerlei Illusionen haben, dass wir uns damit einfach abfinden.“
Zuvor hatte bereits Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit Finnlands Staatschef Sauli Niinistö von einem Fehler Helsinkis gesprochen. Von seinem Land gehe keine Bedrohung aus. Russland und Finnland teilen eine 1300 Kilometer lange Grenze. Die Pläne für eine Nato-Mitgliedschaft stehen stark unter dem Eindruck von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Das jahrzehntelang neutrale Finnland will demnächst einen Antrag auf Beitritt zum Nordatlantikpakt stellen, dem derzeit 30 Länder angehören. Auch das traditionell bündnisfreie Schweden nahm weiter Kurs auf eine historische Kehrtwende: Die regierenden Sozialdemokraten sprachen sich ebenfalls für einen Beitritt zur westlichen Militärallianz aus. In beiden Ländern wollten am Montag die Parlamente zu Debatten zusammenkommen.
Update vom 16.05.2022, 9.20 Uhr: Nato-Generalsekretär Stoltenberg: „Ukraine kann diesen Krieg gewinnen“
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hält eine Niederlage Russlands im Krieg gegen die Ukraine für möglich. „Die Ukraine kann diesen Krieg gewinnen“, sagte der Norweger am Sonntag nach Beratungen der Außenminister der 30 Bündnisstaaten in Berlin.
Der Krieg in der Ukraine verlaufe für Moskau nicht wie geplant. So sei die Offensive im Donbass ins Stocken geraten und die Russen zögen sich aus der Gegend um Charkiw zurück. Zudem sei die geplante Eroberung Kiews gescheitert. „Russland erreicht seine strategischen Ziele nicht“, ergänzte Stoltenberg. Die Ukraine stehe noch immer und die Nato sei stärker denn je.
Update vom 14.05.2022, 21.21 Uhr: Lindner-Rede massiv gestört – „Kriegstreiber“-Vorwurf
FDP-Bundesparteichef Christian Lindner hat die militärische und finanzielle Unterstützung Deutschlands für die Ukraine unter lautstarken Protesten in Düsseldorf verteidigt. Einigen Dutzend Störern, die dem Bundesfinanzminister am Samstag „Kriegstreiber“ und „Lügner“ entgegenriefen, hielt Lindner am Samstag entgegen: „Wenn Ihr glaubt, dass Ihr mich aus der Ruhe bringen könnt, habt Ihr Euch getäuscht.“ Beim offiziellen Wahlkampffinale seiner Partei musste er dennoch seine Stimme arg anheben.
Die besondere Lage nach dem russischen Angriffskrieg habe eine Zeitenwende gebracht und erfordere in Deutschland neue Schulden, betonte Lindner. Das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen brauche man, „um 16 Jahre Vernachlässigung der Bundeswehr zu stoppen.“
„Du musst kämpfen können, damit du nicht kämpfen musst“, heiße die Devise, rief der Bundesfinanzminister einen Tag vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. „Damit ist keine Militarisierung der deutschen Außenpolitik gemeint.“ Deutschland stehe an der Seite der Ukraine, die auch europäische Freiheitswerte verteidige.
An die kleine Störergruppe gewandt, rief Lindner unter großem Beifall der Zuhörer zu: „Die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen sogar die Freiheit von denen da, die sie mit Füßen treten.“
Die FDP bildet aktuell im bevölkerungsreichsten Bundesland eine Koalition mit der CDU. Letzte Umfragen sehen die FDP überwiegend bei sieben bis acht Prozent, für eine Neuauflage einer schwarz-gelben Regierung in NRW würde es nicht reichen. Bei der Landtagswahl 2017 hatte die FDP noch 12,6 Prozent geholt.
Update vom 13.05.2022, 7:20 Uhr: Melnyk fordert mehr deutsche Unterstützung für EU-Beitritt der Ukraine
Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland, erwartet von der Bundesregierung mehr Einsatz für den EU-Beitritt der Ukraine. „Neben Waffenlieferungen und der Verschärfung von Sanktionen ist unser Hauptziel, Unterstützung zu bekommen für einen Beitritt zur EU“, sagte Melnyk gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Da die EU bis Ende Juni über den Kandidatenstatus der Ukraine entscheiden werde, sei es wichtig, dass Deutschland dabei helfe, andere Skeptiker zu überzeugen. Dies sei im Interesse Deutschlands und der EU.
Update vom 12.05.2022, 13.45 Uhr: Schäuble zieht Parallelen zwischen Putin und Hitler
Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat Parallelen zwischen dem Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem von Adolf Hitler sowie der Reaktion des Westens gezogen. „Das ist natürlich die erschreckende Parallele“, sagte der frühere Bundestagspräsident in einem Interview mit der Badischen Zeitung auf die Frage nach der Gefahr eines Dritten Weltkriegs.
Hitler habe schon früh in seinem Buch „Mein Kampf“ geschrieben, dass er die Ergebnisse des Ersten Weltkriegs rückgängig machen wolle. Zunächst habe es dann – auch nach dem Einmarsch der Wehrmacht ins Rheinland und anderen Schritten Hitlers – keine Mehrheit in Großbritannien, Frankreich und den USA gegeben für eine andere Politik als die des „Appeasement“, also einer Politik der Zurückhaltung gegenüber außenpolitisch aggressiven Staaten.
Erst nach dem Zusammenbruch Frankreichs 1940 und als Europa insgesamt unter die Herrschaft Nazi-Deutschlands gekommen sei, habe die Stunde des britischen Premierministers Winston Churchill geschlagen, der die Briten zum Kampf gegen Hitler motivierte. Vorher habe er keine Mehrheit für seine Politik finden können.
„Bei Putin sind die Parallelen groß“, sagte Schäuble. Es gebe aber einen Unterschied. Putin habe gedacht, dass er die Ukraine genauso schnell erobern würde wie Hitler im Frühjahr 1939 die Tschechoslowakei. „Aber der heldenhafte Widerstand der Ukraine hat das als eine Illusion zerplatzen lassen.“ Zudem habe Putin auf die Spaltung Europas und Amerika gesetzt – die sei aber nicht eingetreten, das atlantische Bündnis sei zusammengerückt. Putin habe das Gegenteil erreicht von dem, was er wollte.
Trotzdem sieht der aus Baden stammende Schäuble den Frieden in Europa bedroht. Man wisse nicht, wie es nach der Ukraine weitergehe. Moldau und das prorussische Separatistengebiet Transnistrien in Moldau seien sehr gefährdet, sagte er der Zeitung. Wenn Putin an seinem Ziel festhalte, die Entwicklung von 1990 rückgängig zu machen, dann werde in Europa der Frieden nicht sicher sein.
Schäuble hatte bereits 2014 als Bundesfinanzminister Parallelen zwischen Putin und Hitler gezogen und Russlands damaliges Vorgehen auf der Krim mit der Annexion des Sudetenlandes 1938 durch Hitler verglichen. Der Vergleich hatte damals für Wirbel gesorgt.
Die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich davon distanziert. FDP-Chef Christian Lindner hatte von einer Grenzübertretung Schäubles gesprochen – und von ihm gefordert, er müsse sich entschuldigen. Das Finanzministerium hatte anschließend betont, Schäuble habe klar abgelehnt, Russland mit dem Dritten Reich zu vergleichen.
Update vom 12.05.2022, 8.00 Uhr: Droht bald der Gasboykott? Habeck optimistisch – „könnte Deutschland verkraften“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält es für möglich, dass Deutschland schon im kommenden Winter einen russischen Gasboykott verkraften könnte. „Wenn wir zum Jahreswechsel volle Speicher haben, wenn zwei der vier von uns angemieteten schwimmenden LNG-Tanker schon am Netz angeschlossen sind und wenn wir deutlich an Energie sparen, können wir im Fall eines Abrisses der russischen Gaslieferungen einigermaßen über den Winter kommen“, sagte Habeck der „Wirtschaftswoche“.
Habeck plädierte erneut für Energiesparen. „Weniger Verbrauch ist das A und O beim Gas.“ Wenn es gelinge, zehn Prozent einzusparen über die nächsten zwei Jahre in der Industrie und bei privaten Haushalten, so der Minister, „dann sind das die entscheidenden Prozente, um nicht in eine Notlage zu geraten. Da sollten alle mitmachen. Mehr Effizienz ist ein wesentlicher Hebel gegen Putin“, sagte er.
Zwei der vier für Deutschland georderten Flüssiggas (LNG)-Schiffe ersetzen laut Habeck bereits knapp ein Viertel der russischen Erdgas-Importe. Trotz der Fortschritte warnte Habeck im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“ vor den wirtschaftlichen Risiken eines Gas-Stopps: „Auch unter den genannten Voraussetzungen wären die Gaspreise dann sicherlich sehr hoch und die Speicher am Ende des Winters leer.“
Deutschland ist stark von russischem Gas abhängig. Forderungen etwa nach einem Gasembargo sind daher umstritten. Jüngsten Angaben des Wirtschaftsministeriums zufolge sank die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas seit Kriegsbeginn immerhin von zuvor 55 Prozent auf etwa 35 Prozent. Bis Sommer 2024 ist demnach eine schrittweise Verringerung auf zehn Prozent des Gasverbrauchs möglich.
Update vom 11.05.2022, 6.30 Uhr: Kanzleramtschef: Deutschland ohne Bündnispartner nicht verteidigungsfähig
Deutschland ist nach Ansicht des Kanzleramtschefs Wolfgang Schmidt (SPD) ohne seine Bündnispartner nicht verteidigungsfähig gegenüber Russland. „Aber dafür sind wir ja in einer gemeinsamen Allianz der Nato. (…) Die USA sind besonders wichtig für Deutschland, aber auch für Europa und für die Nato“, sagte Schmidt der „Deutschen Welle“. „Und deswegen arbeiten wir auch so eng und gut zusammen, weil wir nur so als Allianz, als Bündnis von starken Partnern in dieser Welt, bestehen können.“
Ab wann Deutschland ohne russisches Gas auskommen könne, sei „schwer zu sagen“. „Wir haben unsere Abhängigkeit, die mal bei 55 Prozent lag, schon deutlich reduziert. Aber es geht eben auch um andere europäische Staaten. Und es geht um die Welt.“ Russland sei „nicht abhängig von den Einnahmen aus Öl oder Gas“.
Auf die Frage, ob Deutschland eine internationale Führungsposition einnehmen könne, sagte der Kanzleramtschef, die Bundesrepublik handele „vor allem durch die Europäische Union“. Das hätten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor der Invasion in die Ukraine zu vermitteln versucht. „Die Zeiten, in denen einzelne Mächte die Welt unter sich aufteilen und in Einflusssphären denken, sind vorbei. Wir glauben nicht, dass es eine uni- oder bipolare Welt sein wird, sondern es wird viele Kraftzentren geben.“
Update vom 10.05.2022, 13.45 Uhr: Baerbock will Täter zur Rechenschaft ziehen
Außenministerin Annalena Baerbock hat der Ukraine Unterstützung bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen während des russischen Angriffskrieges zugesichert. „Wir sind es diesen Opfern schuldig, dass wir hier nicht nur gedenken, sondern dass wir die Täter zur Verantwortung bringen und ziehen“, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei einem Besuch im Kiewer Vorort Butscha. „Das werden wir als internationale Gemeinschaft tun. Das ist das Versprechen, was wir hier in Butscha geben können und geben müssen“, betonte sie.
In Butscha waren nach dem Abzug der russischen Truppen mehr als 400 Leichen gefunden worden – teils mit auf den Rücken gebundenen Händen. Baerbock war von einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft an dessen Haus in Butscha empfangen worden. Die Ministerin wurde von der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa begleitet.
Nachdem Baerbock in einer Kirche eine Kerze entzündet hatte, sagte sie, man glaube, in einer ganz normalen Kirche zu sein. Zugleich sei dies ein Ort, an dem „die schlimmsten Verbrechen, die man sich nur vorstellen kann, nicht nur sichtbar geworden sind, sondern passiert sind“. Der größte Wunsch der Menschen sei es, der Welt deutlich zu machen, welche Verbrechen passiert seien und wie groß der Schmerz sei.
Diesen Schmerz könne niemand nehmen, „aber wir können für Gerechtigkeit sorgen“, sagte Baerbock. Man könne einen „kleinen Beitrag dadurch leisten, dass wir diese Aufklärung von Kriegsverbrechen, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterstützen, als internationale Gemeinschaft Beweise sammeln, dafür sorgen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Das sind wir den Opfern schuldig.“
Baerbock, die von schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal geschützt wurde und eine Splitterschutzwest trug, zeigte sich erschüttert. Man spüre in Butscha eindringlich: „Diese Opfer könnten wir sein.“ Man sehe Spielplätze, Supermärkte, Menschen, die zur Arbeit gingen. „Und dann sieht man die schlimmsten Spuren von Verbrechen genau daneben.“ Eine Bombe sei direkt in den Supermarkt eingeschlagen. In der Kirche zeigten Bilder Menschen, die nur das getan hätten, was jeder Mensch tue, sagte Baerbock: Aufstehen, Einkaufen gehen und die dabei kaltblütig ermordet worden seien.
Die Außenministerin ist das erste deutsche Kabinettsmitglied, das seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in die Hauptstadt Kiew gereist war. Am Nachmittag war unter anderem ein Gespräch Baerbocks mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba geplant.
Update vom 09.05.2022, 10 Uhr: Russlands Raumfahrt-Chef droht Elon Musk wegen Satelliten-Netz für die Ukraine
Der Chef der russischen Raumfahrt-Behörde, Dmitri Rogosin, hat Tech-Milliardär Elon Musk mit Konsequenzen für die Versorgung der Ukraine mit Satelliten-Internet gedroht. Musks Raumfahrtfirma SpaceX stellte dem von Russland angegriffenen Land Anlagen zur Nutzung ihres Starlink-Satellitennetzes zur Verfügung. Damit bekommt man schnelles Internet aus dem All. Für ukrainische Behörden und Truppen war das hilfreich, wenn Mobilfunk und lokale Internet-Zugänge ausfielen.
Rogosin schrieb nun beim Chatdienst Telegram am Sonntag, Musk sei „an der Versorgung faschistischer Kräfte in der Ukraine mit Mitteln militärischer Kommunikation“ beteiligt gewesen. Dafür werde er sich „wie ein Erwachsener“ verantworten müssen. Musk reagierte in der Nacht zum Montag bei Twitter mit einem Scherz: „Wenn ich unter geheimnisvollen Umständen sterben sollte – war gut, euch gekannt zu haben.“ Musk ist auch Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla und versucht gerade, Twitter zu kaufen.
Roskosmos-Chef Rogosin ist ein lautstarker Unterstützer des russischen Angriffs auf die Ukraine und spricht unter anderem von einem Krieg, in dem es um das Überleben Russlands gehe. So schrieb er ebenfalls am Sonntag bei Telegram, dass Russland die Nato-Länder in einem Atomkrieg binnen einer halben Stunden vernichten könne – „aber wir dürfen ihn nicht zulassen, weil die Folgen eines nuklearen Schlagabtauschs sich auf den Zustand unserer Erde auswirken würden“.
Quelle: www.infranken.de