Warum entschließt man sich, ein E-Auto zu kaufen? Natürlich fühlt es sich gut an, die Umwelt zu entlasten – aber die Entlastung der Haushaltskasse durch die günstigeren Fahrtkosten gibt ein mindestens ebenso schönes Gefühl. Doch damit ist bald Schluss, denn die Strompreise gehen durch die Decke. Für Oktober registriert das Vergleichsportal Verivox durchschnittlich 53,83 Cent pro Kilowattstunde für Privathaushalte.
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Vorteil Verbrenner (2022)
Vorteil Verbrenner (2023)
Die Forscher verglichen dabei die Full-Service-Monats-Leasingkosten plus Treibstoff plus Anschaffung der Verbrenner mit monatlichen Abo-Raten plus Stromkosten plus Anschaffung der Stromer. Dabei gingen die Forscher von 15.000 Kilometern Laufleistung aus. Da viele beschlossene Strompreiserhöhungen noch nicht bei den Haushalten bzw. den Wallboxen und Ladesäulen angekommen seien, sei eine weitere Verteuerung des Ladestroms anzunehmen, so die CAR-Experten.
Noch im Juli lag der Durchschnittspreis laut halbjährlicher Analyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei 37,3 Cent. Und auch in Zukunft ist keine Entspannung zu erwarten: Für 2023 erwartet Verivox einen durchschnittlichen Strompreis von 0,45 Euro pro kWh – oder mehr.
Auf die Frage nach einer Preisgarantie reagieren die großen Stromversorger zurückhaltend. „Eine Anpassung der Ladetarife ist aktuell nicht geplant“, antwortete EnBW Ende August 2022 auf Anfrage von AUTO BILD. Seit einer Preiserhöhung im Mai 2021 hat EnBW die Ladestromtarife nicht geändert. Selbstverständlich beobachte man aber die Entwicklungen an den Energiemärkten sehr genau. „Die hohe Dynamik an diesen macht eine Prognose bis zum Ende des Jahres nicht möglich. Da bitten wir um Ihr Verständnis“, so der EnBW-Sprecher.
Ähnlich ist es beim Schnelllade-Netzbetreiber Ionity. „Die derzeitig steigenden Energiepreise gehen an Ladestromanbietern nicht spurlos vorbei. Und auch Ionity beobachtet die Entwicklung auf den Energiemärkten in allen europäischen Ländern weiterhin sehr genau“, sagt eine Unternehmenssprecherin gegenüber AUTO BILD. Zum aktuellen Zeitpunkt sei jedoch keine Preiserhöhung vorgesehen, beteuert auch Ionity.
Auch der größte Ladesäulen-Betreiber E.ON mag weitere Preiserhöhungen nicht ausschließen: „Die Lage auf den Energiemärkten ist derzeit historisch einzigartig, und wir beobachten sie natürlich eng.“ Bislang habe man die Preise an den Ladestationen stabil gehalten. „Wir bitten aber um Verständnis, dass wir aufgrund der Energiepreisentwicklung keine Aussagen für die nähere Zukunft treffen können.“
Und die Preiserhöhungen gehen munter weiter: Am 1. September machte Allego sein Ladenetz teurer. Der niederländische Betreiber, mit mehr als 28.000 Stationen größter Anbieter in Europa, erhöhte schon zum zweiten Mal in diesem Jahr die Preise.
Allego schließt mit seiner Preiserhöhung zum teuren Ionity-Schnellladenetzwerk auf. Dort kostet die Kilowattstunde 79 Cent. Allerdings kann mit einer Ladekarte, dem Ionity Passport für 17,99 Euro monatlich, der Preis auf 35 Cent gedrückt werden.
Beim größten deutschen Anbieter EnBW kostet Schnellladen 55 Cent pro kWh, E.ON berechnet 53 Cent. Der Anbieter EWE verlangt 52 Cent. Beim regionalen Anbieter Maingau Energie kostet das DC-Schnellladen für Zaungäste sogar 59 Cent pro kWh. Auch Shell Recharge berechnet 59 Cent für die Kilowattstunde an Gleichstrom-Schnellladesäulen.
Öffentliches Laden mit 22 bis 50 kW, also Wechselstrom-Laden, kostet aktuell bei EnBW 45 Cent pro kWh. E.ON berechnet an Wechselstrom-Ladesäulen 39 Cent, Allego kassiert zwischen 47 und 70 Cent (je nach Ladetempo), Maingau Energie 49 Cent. An einer regionalen SachsenEnergie-Ladesäule in Dresden dagegen kostet AC-Laden derzeit 39 Cent, der norddeutsche Anbieter EWE berechnet 42 Cent.
Drei Faktoren sind für den Strompreis ausschlaggebend: Es sind neben den Kosten für Produktion und Vertrieb noch das Netzentgelt sowie Steuern und Abgaben auf den Strom. Die beiden ersteren Faktoren steigen auf Sicht, während der Staat die Steuern und Abgaben beeinflussen kann. Das tat er zuletzt durch Wegfall der EEG-Umlage zum 1. Juli, die zuletzt etwa 3,7 Cent pro Kilowattstunde betrug und jetzt aus Steuermitteln bestritten wird.
Der Großhandelspreis für Strom, der an der Leipziger Strombörse EEX gehandelt wird, sprang Anfang Juli 2022 zur Lieferung 2023 auf ein Rekordhoch von 319 Euro pro Megawattstunde. Das entspricht einer Steigerung binnen Jahresfrist von mehr als 310 Prozent! Auf die Kilowattstunde berechnet ergab das im Juli 2022 einen Preis von mehr als 31 Cent – so hoch war 2021 der Verbraucherpreis. Bedenkt man, dass auf den Großhandelspreis noch Steuern und Abgaben aufgeschlagen werden, verdeutlicht sich die gewaltige Verteuerung.
So kostete die Kilowattstunde im Großhandel Mitte Juni 2022 noch 22 Cent. Bei der jüngsten Preiserhöhung fällt damit sogar der Wegfall der EEG-Zulage nicht mehr ins Gewicht, die ja bei lediglich 3,7 Cent pro kWh gelegen hatte.
„Großer Preistreiber ist der Erdgaspreis“, sagte der Energieexperte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Die Gaspreise sind vor allem gestiegen, weil Russland als Deutschlands wichtigster Lieferant weniger Gas nach Deutschland pumpt. Hinzu kommen laut Sieverding etwa die gestiegenen Weltmarktpreise für Kohle oder gestiegene CO2-Preise, die die Stromproduktion verteuern. Bisher ist der Strompreis in Deutschland an den Gaspreis gekoppelt. Politiker setzen sich nun dafür ein, das zu ändern.
Die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland sollten eigentlich Ende 2022 komplett abgeschaltet werden, nun werden zwei von ihnen voraussichtlich als Reserve vorgehalten. Denn der Winter bringt ein Problem mit sich: Zum Jahresende sinkt die Strommenge, die aus Photovoltaik und Windenergie stammt; mit dem Winter häufen sich traditionell die Tage der sogenannten Dunkelflaute, denn es weht weniger Wind, die Tage sind kürzer, also scheint die Sonne weniger. In dieser Zeit dürfte bei starker Nachfrage vermehrt Gas verstromt werden, als letzte und teuerste Stromquelle. Gerade das Gas wird knapper und teurer: Wegen der Russland-Krise wird dieser Energieträger auf Sicht im Preis weiter zulegen.
Das kommt stark auf die erwarteten Preissteigerungen an, die Verfügbarkeit von günstigem Strom, und es hängt wie beschrieben auch vom Gaspreis ab. Auch die Kosten für Diesel und Benzin dürften weiter anziehen: Denn jedes Jahr steigt auch die CO2-Abgabe pro ausgestoßener Tonne Klimagas – allerdings macht das Jahr 2023 wegen der Energiekrise eine Ausnahme.
Die Aussichten sind derzeit schwer abzuschätzen: Heute bezieht Deutschland rund 50 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Aktuell hat der Bundestag beschlossen, dass dieser Anteil auf 80 Prozent ausgebaut werden soll. Das wird allerdings frühestens 2030 der Fall sein.
Zugleich sollen bis zu diesem Zeitpunkt bis zu zehn Millionen Elektroautos neu zugelassen werden. Das heißt: Der Stromhunger im Verkehrssektor wächst ebenfalls. Meist steigen mit der Nachfrage auch die Preise.
Quelle: news.google.com