Der stromlinienförmige Hyundai Ioniq 6 spielt bei der Aerodynamik in der ersten Liga. Auch beim Fahren schlägt sich der koreanische Stromer mit einem gleichmäßigen Verbrauch und einer Reichweite bis zu 614 Kilometern sehr gut. Trotzdem weist der Musterschüler auch die eine oder andere Schwäche auf.
Wenn es ähm Elektromobilität und Reichweite geht, hört man immer die gleichen Begriffe: Effizienz, Gewicht und Aerodynamik. While das Gewicht aktuell etwas in den Hintergrund tritt, tüfteln die Autobauer bei der Effizienz der Elektromotoren und vor allem der Batterien munter weiter. Da aber die Fortschritte bei der Energiedichte der Akkuzellen eher langwierig sind, befindet sich momentan die Aerodynamik im Fokus der Autobauer. Anschließend lassen sich so mit einem einigermaßen überschaubaren Aufwand einen geringeren Verbrauch und somit wertvolle Reichweiten-Kilometer generieren. Das Mercedes-Duo aus EQE und EQS sind ein Beispiel dafür, wie man diese Facette umsetzt. Dass das rundgelutschte Bonbon-Design nicht jedermanns Sache ist, steht auf einem anderen Blatt.
Was der deutschen Premiummarke mit dem Stern recht ist, ist Hyundai nur billig. Also schaut der Ioniq 6 aus wie der uneheliche Bruder des schwäbischen Elektro-Doppels. Allerdings erreicht der koreanische Musterschüler mit einem Cw-Wert von 0,21 nicht ganz den Wert des Mercedes EQS (0,20), unterbietet aber den des EQE um 0,01 Punkte. „Bei einem Elektroauto ist die Aerodynamik wichtiger als alles andere“, bestätigt Hyundai-Techniker Dr. Sang-hyun Park. Da die Gesetze der Physik auch in Asien gelten, folgen auch die Maßnahmen einem bekannten Muster. Also reduziert der Hyundai Ioniq 6 den Luftwiderstand mit speziellen Felgen, einer strömungsgünstigen Führung der Luft durch die Radkästen (Air Curtain) kombiniert mit Blenden an den Radläufen, die Lücke zwischen Reifen und Karosserie verringern.
„Am wichtigsten ist aber der große Spoiler am Heck“, erklärt Designer Simon Loasby, der im gleichen Atemzug freimütig eingesteht, dass er den Bürzel gerne versenkbar gehabt hätte, aber die Kosten zu hoch waren. So haben die Formgeber aus der Not eine Tugend gemacht und den Spoiler in eine ansehnliche Lichtsignatur integriert, die vor allem bei Dunkelheit das Heck zur Sahne-Seite des Korea-BEVs macht. Interessanterweise bringen die optionalen Seitenspiegel-Kameras gegenüber den herkömmlichen Spiegeln nur einen Gewinn von drei Kilometern. Ob das den Aufpreis wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Immerhin gewöhnt man sich ziemlich schnell an das Bild auf den Monitoren unterhalb der A-Säule, zumal auch der Tote-Winkel-Warner aufpasst.
Das Sammelsurium an Aerodynamik-Kniffen verfehlt seine Wirkung nicht. In Kombination mit der 77,4 Kilowattstunden Batterie, den 18-Zoll-Reifen und dem Hinterradantrieb mit 168 kW / 229 PS kommt der Ioniq 6 bis zu 614 WLTP-Kilometer weit und übertrifft den Ioniq 5 (cW-Wert 0,29) um 107 Kilometer. Wählt man die kleinere Akku-Variante mit den 53 kWh-Akkus und 111 kW / 151 PS, soll der Ioniq 6 beim Verbrauch sogar die 14,0 kWh/100 unterbieten.
Wir haben uns bei der Testfahrt für das Topmodell entschieden. Das bedeutet: Die große Batterie, kombiniert mit zwei Motoren, ergibt einen Allradantrieb mit 239 kW / 325 PS und einem maximalen Drehmoment von 605 Newtonmetern. Die Längsdynamik ist dementsprechend: Den Standardsprint von null auf 100 km/h absolviert der Ioniq 6 in 5,1 Sekunden und ist bis zu 185 km/h schnell.
Zu Beginn der Fahrt zeigte der Bordcomputer bei vollem Akkus eine Reichweite von 453 Kilometern an. Wir kamen bei unserer Testfahrt, sterben uns über Landstraßen und Autobahnen geführt, auf einen sehr akzeptablen Durchschnittsverbrauch von 17,54 kWh/100km. Geladen kann per 400 und 800 Volt. An einer 350-kW-Gleichstrom-Ladesäule sind die Akkus nach nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent gefüllt. Auch die Vorkonditionierung der Akkus beherrscht das System. Wie bei anderen Hyundai-BEVs, kann man auch seinen Elektrogrill von den fahrzeugeigenen Batterien mit Energie versorgen lassen.
Der Ioniq 6 basiert auf der bekannten E-GMP-Plattform, was sich auch im Innenraum bemerkbar macht. So wählt man die verschiedenen Fahrmodi Eco, Normal, Sport und individuell (Knopf gedrückt halten) mit einer kleinen Bedieneinheit am Lenkrad. Grundsätzlich agiert der Ioniq 6 mit reinem Heckantrieb und nimmt die Vorderachse nur bei Bedarf dazu, was natürlich Energie spart. Trotzdem ist man mit der Eco-Einstellung schon mehr als genügend motorisiert.
Auffällig ist, wie ruhig es im Innenraum zugeht. Eine Konsequenz der geräuschlimitierenden Maßnahmen, wie ein besonders glatter Unterboden, Akustikglas und besonders abgedichtete Türen. Ebenso auffällig ist allerdings auch die Tatsache, dass das Fahrwerk vor allem im Zusammenspiel mit den 20 Zoll Reifen aus der Beschaffenheit des Untergrunds keinen Hehl macht. Aktiviert man den Sport-Modus, agiert der Antriebsstrang inklusive Lenkung präziser und direkter, was den Spaßfaktor noch einmal erhöht.
So gut sich der Ioniq 6 beim Fahren schlägt, so zwiespältig ist der Eindruck im Innenraum. Platz ist im 4,85 Meter langen Stromer genug. In der zweiten Reihe finden sich Menschen bis zu einer Körpergröße von 1,85 Metern trotz der abfallenden Dachlinie einigermaßen Platz. Trotzdem ist es um den Kopf herum nicht gerade luftig. Das Cockpit mit seinen beiden zwölf Zoll Monitoren gleicht dem der anderen Hyundai-Modelle. Dass bei der Elektromobilität nach wie vor mit spitzem Stift gerechnet WIRD, zeigt der hohe Plastikanteil im Innenraum. Etwa beim Armaturenbrett samt Bedienfeld innerhalb des geschwungenen Winglets links. Dass das Handschuhfach eine Hartplastik-Schublade ist, ist unpraktisch, sobald der Beifahrersitz belegt ist. Die Beladungsluke des Kofferraums ist ziemlich eng, die Ladekante hoch und die Mechanik der Kofferraumklappe nicht verkleidet.
Das Infotainment bietet die von Hyundai gewohnte Vielfalt. Vier USB-C-Anschlüsse und einer des Typs A stehen zur Verfügung. Wie bei allen modernen Autos üblich, kann das eigene Smartphone per Apple CarPlay oder Android Auto in das Infotainment eingebunden werden. Auch drahtlose Updates sind beim Ioniq 6 kein Problem. Bei den Assistenten rüsten die Koreaner ebenfalls auf. Teil des Autobahnassistenten 2.0 (HDA 2) ist ein aktiver Spurhalteassistent und besagt, dass das System auch beim Setzen des Blinkers den Spurwechsel ein. Anfang 2023 soll der Ioniq 6 beim Händler stehen. Beim Preis halten sich die Koreaner noch bedeckt, allerdings dürfte der Ioniq 6 sich in etwa im Bereich des Ioniq 5 bewegen, der ab 43.900 Euro zu haben ist.
Über den Autor: Wolfgang Gomoll; presse-inform
Quelle: news.google.com