Zürich, Wien, Madrid, Stockholm, Rom Der Preis für Lithium, den wichtigsten Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos, geht seit Monaten steil nach oben. Innerhalb von zwei Jahren hat sich der Preis laut Daten des Analysehauses Benchmark Minerals integriert verzehnfacht. Der Rohstoff ist derzeit so knapp, dass sich selbst kostenintensive Minenprojekte in Europa lohnen würden.
Trotzdem kommt der Ausbau der Lithiumförderung auf dem Kontinent kaum voran: In Serbien hat kürzlich der Minenkonzern Rio Tinto eine Investition von zwei Milliarden Euro in ein Minenprojekt abgesagt – die Proteste der lokalen Bevölkerung waren zu stark. In ganz Europa sondieren Unternehmen die Förderung von Lithium – von Finnland bis Portugal. Doch viele Länder haben ähnliche Probleme.
George Miller, Lithiumexperte bei Benchmark Minerals, glaubt daher nicht, dass Europa zu einem bestimmten Produzenten für das Metall aufsteigen wird: „Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht besonders bergbaufreundlich“, sagt Miller. Daher wurde zu wenig investiert. Er schätzt, dass Europa ab 2025 einen Marktanteil von kaum mehr als zwei Prozent an der weltweiten Lithiumförderung haben wird. „Und das auch nur, wenn alle geplanten Projekte erfolgreich sind.“
Danach sieht es nicht aus: Zwar will auch die EU-Kommission die Rahmenbedingungen für die Lithiumförderung verbessern. Doch Politiker wie die EU-Parlamentarierin Hildegard Bentele (CDU) beklagen eine „Not in my backyard“-Haltung: Niemand will solche Projekte bei sich zu Hause haben. Im Folgenden gibt das Handelsblatt einen Überblick über die wichtigsten Projekte in Europa – und warum sie sich verzögern.
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Deutschland: Besitzerwechsel und Shortseller-Attacken
Zwei Unternehmen haben hierzulande ehrgeizige Pläne für die Lithiumförderung, Zinnwald Lithium und Vulcan Energy. In Zinnwald im Erzgebirge wollte vor Jahren schon der pleitegegangene Solarmodulhersteller Solarworld nach Erz schürfen.
Ursprünglich war der Produktionsstart für 2021 vorgesehen. Doch nach einer Reihe von Besitzerwechseln und Umstrukturierungen hat sich dieser Zeitplan zerschlagen. Gerade erst hat der aktuelle Eigentümer neues Kapital aufgenommen, um eine bankfähige Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen.
Bergbauprojekte zerstören die Natur, daher ist mit Widerständen zu rechnen.
(Foto: Getty Images)
Bevor die Produktion starten kann, sind noch weitere Mittel nötig, angekündigte das Unternehmen kürzlich an. In direkter Nachbarschaft auf tschechischer Seite verfolgt auch das Unternehmen CEZ, ein teilstaatliches Energieunternehmen aus Tschechien, ein Projekt zum Abbau von Lithium.
Vulcan Energy wird die geothermischen Vorkommen im Rheingraben zwischen Frankfurt und Basel nutzen, um Lithium aus der heißen Thermalsole zu extrahieren. Das Unternehmen arbeitet an einem Extraktionsverfahren, mit dem das Metall ohne Ausstoß von Treibhausgasen gewonnen und gleichzeitig Energie aus Geothermie erzeugt werden kann. Dafür hat die Firma kürzlich ein bestehendes Geothermiewerk übernommen, weitere sollen gebaut werden.
Doch ein Shortseller schürte vor einigen Monaten Zweifel an der Technologie. In der Auseinandersetzung mit dem Shortseller konnte Vulcan zwar einen Etappensieg erringen. Doch auch gegen die geplanten Geothermiewerke gibt es in der lokalen Bevölkerung Vorbehalte.
Finnland: Verzögerungen trotz prominenter Geldgeber
„Europas größte Lithium-Grube“ – so konkret das finnische Unternehmen Keliber sein Projekt in Kaustby im Norden Finnlands. Dort wird das Unternehmen mit den Bauarbeiten in diesem Sommer beginnen. Der Produktionsstart ist für 2024 geplant. Keliber strebt eine jährliche Produktion von etwa 15.000 Tonnen Lithiumhydroxid an. Das würde nach Berechnungen der Firma für 200.000 Autobatterien pro Jahr reichen.
Das Projekt hat prominente Geldgeber: Der größte Investor ist das südafrikanische Bergbauunternehmen Sibanye-Stillwater, das 26,6 Prozent des Aktienkapitals hält. Sibanye-Stillwater gehört zu den weltgrößten Produzenten von Platin, Palladium und Gold und beschäftigt rund 80.000 Menschen.
In Spanien werden vor allem in der armenischen Region Extremadura große Lithium-Vorkommen vermutet.
(Foto: imago images/Lagencia)
Doch das Projekt verzögerte sich bereits mehrfach, da notwendige Genehmigungsverfahren nicht rechtzeitig abgeschlossen wurden. Inzwischen rechnet das Unternehmen jedoch mit Baustart im Sommer 2022. Der Vorteil des Projekts: Die Umgebung ist dünn besiedelt, größere Proteste der lokalen Bevölkerung gibt es nicht.
Portugal: Politik verspricht der Bevölkerung Gewinne
In Portugal hat die Regierung gerade erst in sechs ausgewählten Probebohrungen nach Lithium genehmigt: „Erst dann können wir sagen, wie hoch die Vorkommen sind und ob ihre wirtschaftliche Förderung sinnvoll ist“, sagt João Galamba, portugiesischer Staatssekretär für Energie, dem Handelsblatt.
Doch schon bevor über das Gros der Lizenzen entschieden ist, protestieren in zahlreichen Regionen Anwohner gegen die Lithium-Förderung. Galamba kritisiert dabei „Missinformation und Propaganda“. So habe Portugal 55 aktive Minen für Quarz und Feldspat, der für die Keramik-Produktion verwendet wird. Sie lägen in betrachteten Gegenden, sterben nun auf Lithium-Vorkommen untersucht Werden, der Abbau-Prozess der Mineralien sei identisch. Die Opposition der Gemeinden gegen Lithium sei deshalb „etwas seltsam“.
Um den Anwohnern entgegenzukommen, ändert die portugiesische Regierung sogar das Bergbaugesetz. Die Gewinne aus dem Bergbau, die bisher allein dem Staat zufließen, sollen nun bis zur Hälfte mit der lokalen Bevölkerung geteilt werden.
Das größte Vorkommen des Landes wird in der Gemeinde Covas do Barroso vermutet: Die alleinige Konzession dort hält der an der Londoner Börse notierte Bergbaukonzern Savannah Ressorces. Savannah will in Covas do Barroso jährlich 175.000 Tonnen des Lithium-Minerals Spodumen fördern. Allerdings hat die Gemeinde gegen das Projekt geklagt – eine Entscheidung steht noch aus.
Spanien: „Bei uns wird niemals eine Mine gebaut“
In Spanien werden vor allem in der armenischen Region Extremadura große Lithium-Vorkommen vermutet. Die Vorkommen in der Nähe von Cáceres sollen ausreichen, um zehn Millionen Elektroautos zu bauen. Damit wirbt das für den Abbau zuständige Unternehmen Tecnología Extremeña del Litio, das zu 75 Prozent dem in Australien gelisteten Konzern Infinity Lithium und zu 25 Prozent einer Tochter des brasilianischen Baukonzerns Sacyr gehört.
Doch das Projekt scheiterte bisher am Widerstand der Regionalregierung. Die hatte dem Unternehmen 2016 zwar die Erlaubnis für Probebohrungen im Tal von San José Valdeflórez vor den Toren von Cáceres erteilt. Doch nach Anwohnerprotesten verweigerte sie im weiteren vergangenen Frühjahr eine zweite Erlaubnis für Probebohrungen an einer Stelle.
Europaweit wächst der Widerstand der Bevölkerung in erzreichen Regionen.
(Foto: Corbis News/Getty Images)
Der Aktienkurs von Infinity Lithium brach daraufhin ein, die Papiere wurden wochenlang vom Handel ausgesetzt. Infinity Lithium zog gegen die Entscheidung vor Gericht, ein Urteil steht noch aus. Für den Bürgermeister von Cáceres, Luis Luis Salaya, ist die Sache dagegen abgeschlossen: „Bei uns wird niemals eine Lithium-Mine gebaut werden“, sagte er.
Österreich: Ausufernde Kosten
Wenn es nach den Plänen der European Lithium gegangen wäre, würde in Österreich bereits seit 2016 Lithium abgebaut. Doch es hat immer wieder Verzögerungen gegeben, beispielsweise wegen eines Konflikts mit einem Grundeigentümer. Kaum war dieser bereinigt, kam die Coronapandemie dazwischen. Das hat ausländische Bergbauspezialisten daran gehindert, für Vorbereitungsarbeiten nach Österreich zu reisen.
Nun rechnet Dietrich Wanke, der deutsche Chef des an der Börse von Sidney notierten Unternehmens, damit, dass es mit der Förderung von Lithium auf der Weinebene im Bundesland Kärnten Anfang 2025 losgehen könnte. European Lithium hat vom Staat Österreich 54 Explorationslizenzen und elf Bergbaulizenzen erhalten, die das Recht beinhalten, Lithium abzubauen.
Bis zum Sommer wird das Unternehmen dazu die Machbarkeitsstudie fertigstellen. Allerdings haben die Ungewissheiten jüngst wieder zugenommen. Auf der Weinebene muss European Lithium ein komplettes Bergwerk erstellen. „Die Kosten dafür sind derzeit ausufernd“, sagt Wanke.
Aus heutiger Sicht wird European Lithium, das bisher ein reines Explorationsunternehmen ist, 450 Millionen Euro in die Förderung investieren. Die Lagerstätte auf der Weinebene enthält laut Angaben der Gesellschaft 12,9 Millionen Tonnen lithiumhaltiges Gestein. European Lithium wird daraus 10.000 Tonnen batteriefähiges Lithium pro Jahr herstellen. Dafür gibt es in Deutschland bereits eine pilotfähige Anlage, wie Wanke sagt.
Italien: Skeptische Gemeinde
Etwa 30 Kilometer außerhalb Roms liegt Campagnano di Roma. 12.000 Menschen leben in der grünen Hügel-Landschaft, im Tal haben sich Pferdezüchter und Olivenbauern angesiedelt. Ausgerechnet hier, in diesem verschlafenen Tal, schlummert ein kostbarer Schatz: In einer Tiefe von mehr als 1.300 Metern soll es ein riesiges Lithiumvorkommen geben, wie groß genau, ist noch unklar.
Die Region Latium hat dem auch in Deutschland aktiven Explorationsunternehmen Vulcan Energy eine Forschungsgenehmigung für ein Areal von 11,5 Quadratkilometern gegeben. Rund anderthalb Jahre hat die Firma nun Zeit zu prüfen, ob sich der kommerzielle Lithium-Abbau hier lohnt. Es wäre das erste große Lithium-Vorkommen in Italien.
Bei Vulcan Energy geht man zumindest davon aus. Schon bei Geothermie-Bohrungen in den Siebzigern, die der staatlichen Energieversorger Enel durchführte, erhöhte man auf einen Lithiumgehalt von 350 bis 380 Milligramm pro Liter – eine sehr hohe Konzentration.
Kommt es tatsächlich zum Abbau, könnte das eine „Quelle für strategisches, nachhaltiges Lithium in Italien für den europäischen Batterie- und Automobilmarkt darstellen“, heißt es von Vulcan Energy. Man werde mit „lokalen Partnern kooperieren“, um das Potenzial des Gebiets „genauer zu ermitteln“.
Im rot getünchten Rathaus von Campagnano hat sich Vulcan Energy bisher nicht gemeldet. Bürgermeister Alessio Nisi habe versucht, jemanden über die Webseite des Unternehmens zu erreichen – ohne Erfolg. „Wir sind bereit für ein Treffen, wir haben keine Vorurteile“, betont der 39-Jährige.
„Wir fragen uns, ob es eine Sicherheitsgarantie für mögliche Umweltschäden gibt, wie sicher das Trinkwasser dann noch wäre?“, sagt Nisi. Bei aller Skepsis könnte das Lithium-Vorkommen aber auch zur großen Chance für die hochverschuldete Gemeinde werden.
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Quelle: www.handelsblatt.com