Elektromobilität: Das heißt, Auto fahren ohne fossile Energie. Ein wichtiger Beitrag zur Energiewende, der allerdings erst in den vergangenen Jahren markt- und massenfähig geworden ist. Das sei vor allem das Verdienst von Tesla-Chef Elon Musk, schreibt die schwedische Journalistin Katrine Marçal. Denn der charismatische Unternehmer habe dem Elektroauto ein entscheidendes Charakteristikum verpasst, das es zum begehrten Fortbewegungsmittel habe avancieren lassen – und zwar Männlichkeit.
Elektromobilität eines von vielen Beispielen
„Benziner setzt sich als dominierende Technologie durch und bescherten uns Lärm, Gestank und Umweltschäden. Wie wäre die Technologiegeschichte verlaufen, wenn man das Elektroauto um die Jahrhundertwende nicht als weiblich abqualifiziert hätte?“
Erstaunlich sei dieser Befund allerdings nicht, konstatiert die Autorin. So beispielsweise von Frauen gegründete Unternehmen in den USA weniger als drei Prozent der gesamten Risikokapitalinvestitionen.
„Dass über 97 Prozent des Wagniskapitals an Männer vergeben wird, bedeutet auch, dass unsere Software, unsere Apps und Social-Media-Netzwerke, künstliche Intelligenz und Hardware von einzelnen Männern erfunden als auch entwickelt und verwaltet werden.
Patriarchale Strukturen prägend
„Zu jedem Zeitpunkt der Geschichte wurden bestimmte Materialien eher der männlichen und eher der weiblichen Sphäre zugeschlagen. Einige wurden als hochtechnologisch angesehen und andere nicht.“
Weiche Materialien gälten demnach als „weiblich“, harte dagegen als „männlich“. Das hat, so schreibt die Autorin, auch Auswirkungen auf die Tätigkeiten, die mit unterschiedlichen Hilfsmitteln ausgeübt Werden. Ein klassisches Beispiel sei die Geburtshilfe: Die Hebamme arbeitet dabei vor allem mit ihren Händen und verfügt über ein oft über Generationen verbreitetes und als „weiblich“ angesehenes Körperwissen; der männliche Arzt dagegen, der sich ein akademisches Wissen angeeignet habe, arbeitet, beispielsweise bei einem Kaiserschnitt, mit Instrumenten wie dem Skalpell aus Stahl – ein Material, das mit Männlichkeit assoziiert werde:
„Eine Hebamme ist in der Lage, mit der Hand in den Geburtskanal zu greifen und die Haltung eines Kindes zu verändern, dessen Schulter im Becken der Mutter feststeckt. Das ist alles andere als kinderleicht, es braucht dazu jahrelange Übung. Doch es gehört nun mal zu unseren Vorannahmen, dass von Hand ausgeführte Arbeiten weniger Können erforderlich als die mithilfe von Gerätschaften ausgeführten.“
Globaler Blick auf Geschlecht und Innovation
Dieser globale Blick der Autorin macht aber gleichzeitig den Reiz des Buches aus: Es ist viel mehr als nur eine unterhaltsam geschriebene Sammlung von Erfindungen, die starren Geschlechterrollen lange Zeit zum Opfer gefallen sind; „Die Mutter der Erfindung“ ist auch ein energisches Manifest über die Verbindung von Natur und Technik, in dem die Autorin eine klassische, ökofeministische Argumentation mit Technikaffinität verknüpft.
Katrine Marçal plädiert entschieden dafür, dass Frauen viel stärker an Innovationsprozessen beteiligt werden. Das sei auch deshalb notwendig, weil vielfältige Ideen benötigt würden, um die Folgen der Klimakrise abzumildern. Hochentwickelte Technologie könnte, so lautet die recht oberflächlich gehaltene Vision der Autorin, außerdem auch das Patriarchat überwinden: Roboter, deren Stärken auf einer, Zitat, „bestimmten Form von rationaler, akademischer Männlichkeit“ übernehmen, könnten voraussichtlich bestimmte Aufgaben, die zuvor viel menschliche Arbeitskraft gebunden hätte. Dann schlüge endlich die Stunde weiblich konnotierter Fähigkeiten, verheißt Marçal:
„Wenn Roboter in den Bereichen Fürsorge, emotionale Zuwendung und Beziehungen so sehr hinterherhinken, könnten wir Menschen uns auf diese Kompetenzen spezialisieren. Die Maschinen würden Jahrtausende einer patriarchalen Gesellschaftsordnung ungeschehen machen.“
Katrine Marcal: „Die Mutter der Erfindung. Wie in einer Welt für Männer gute Ideen werden ignoriert“
Rowohlt Verlag, 304 Seiten, 20 Euro.
Quelle: www.deutschlandfunk.de