Rosdorf.Rosdorf wird zur Autostadt: Der Elektroflitzer, der optisch an die Isetta von BMW aus den 1960er-Jahren erinnert, wird dort entstehen. Dazu sind Hersteller Electric Brands aus Itzehoe und die Rosdorfer Firma Akcurate eine Kooperation eingegangen – und beide Partner wollen so schnell es geht mit dem Autobau loslegen, wie die Geschäftsführer von Akcurate, Andreas Kirsch, und der Gründer von Electric Brands, Ralf Haller, bestätigen.
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Doch wie kam es überhaupt zur Kooperation der beiden Firmen? Haller berichtet während eines Besuchs in der zukünftigen Produktionsstätte in Rosdorf, dass sein Unternehmen nach einer neuen Technik zur Fertigung des kleinen Elektroflitzers gesucht habe, um den Stückzahlen gerecht zu werden, die sich Electric Brands vorgestellt habe – nämlich 30 000 Autos im Jahr. Auftritt Akcurate, die Firma, die Fräs- und Messmaschinen in Rosdorf baut und auch als Automobilzulieferer auftritt. „Die Technologie, die wir bauen, ist komplett neu“, erklärt Kirsch. Die Maschinen sollen nicht weniger als „den Automobilbau revolutionieren“, sagt er. Besonders die Kombination von Fräs- und Schweißmaschine, die akkurat entwickelt hat, soll bei der Produktion des Autos eingesetzt werden. Und Teile für die Elektroautos würden ohnehin in Rosdorf produziert.
Vom Anlagenbauer und Fahrzeughersteller
Für die Rosdorfer Firma bedeute die Zusammenarbeit mit Electric Brands eine Metamorphose, erläutert der Geschäftsführer. Denn Akcurate werde sich nun vom Anlagenbauer zum Komplettfahrzeughersteller entwickeln. Das bedeutet nicht nur, dass die Elektroautos komplett in Rosdorf gefertigt und teilweise auch entwickelt werden, sondern auch, dass die Firma innerbetrieblich einige Umstrukturierungen erfahren wurden, klärt Kirsch auf. Haller geht noch einmal auf den Produktionsstandort ein: „Rosdorf, beziehungsweise Göttingen, erscheint uns aus wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Voraussetzungen ideal“, und auch die Infrastruktur sei vorhanden. „Wir wollen hier unsere Vision der elektrischen Leichtmobilität entstehen lassen“, sagt er.
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Elektromarken übernimmt Artega
Erst vor wenigen Wochen hat Electric Brands die ehemalige Sportwagenmanufaktur Artega, die im nordrhein-westfälischen Delbrück ansässig, übernommen. Nun wird schon die Produktionsstraße nach Rosdorf verlegt. Artega hatte bereits vor Jahren vor, die Isetta im Retro-Design wieder aufleben lassen. Nach jahrelangem Streit mit dem Schweizer Projektpartner Micro Mobility Systems geriet das Unternehmen aber in eine finanzielle Schieflage. Ursprünglich hätte Artega nur als Auftragsfertiger für die Schweizer fungieren sollen, entschieden sich dann aber, eine eigene Version der E-Isetta vorzustellen – unter dem Namen „Karo“. Marktstart war 2020 anvisiert – doch die Corona-Pandemie sorgt erneut dafür, dass daraus nichts wurde und Artega, die Manufaktur, die einst mit dem Artega GT einen reinrassigen Sportwagen in limitierter Stückzahl von Hand baute, finanzielle Probleme bekam. Zwei Jahre lang blieb es immer noch um die Sportwagenschmiede, bis Electric Brands nun 100 Prozent der Firma übernahm.
In den nächsten Tagen wird zunächst die bisherige Produktionsstätte aus dem ehemaligen Artega-Werk in Delbrück nach Rosdorf verlagert, „14 große Lkw voll“, sagt Haller. Die Produktionsstraße wird zunächst bei Akcurate in der Werkhalle aufgebaut, dort können bis zu 5000 Autos entstehen – noch in Handarbeit. In der Produktionsstraße 2 kommen dann die teilautomatisierten Maschinen der Rosdorfer Firma zum Einsatz, das soll die Produktion auf 30 000 Autos pro Jahr erhöhen. Wenn alles glatt läuft, könnten in neun Monaten die ersten Kundenautos ausgeliefert werden.
Pläne zur Erweiterung bereits in der Schublade
Und Electric Brands hat Pläne, den Standort noch zu erweitern, 100 000 Quadratmeter würden dafür benötigt, erläutert Haller. Dabei blickt er aus dem Fenster auf die direkt gegenüberliegende Rasenfläche, die bis zur Justizvollzugsanstalt reicht. Diese 160 000 Quadratmeter seien nach einem einstimmigen Ratsbeschluss als Gewerbegebiet ausgewiesen, berichtet Rosdorfs Bürgermeister Sören Steinberg (SPD). „Wir sind im Aufstellungsverfahren“, ergänzt er. Es gebe bereits einige Interessenten, nun kommen Electric Brands hinzu, „da müssen wir gucken, wie wir das so geschickt schieben, dass alle zufrieden sind“, so Steinberg. Unterstützung erhält das Vorhaben für den Bau von Elektroautos vom Landkreis Göttingen. „Wir sind mit Baubehörde und WRG bereit, den roten Teppich für Elektromarken auszurollen“, sagt Landrat Marcel Riethig (SPD). „Es wird richtig schnell eine Baugenehmigung geben“, verspricht er.
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Der Kleinwagen, der noch unter dem Namen „Karo“ fährt, werde übrigens noch einen neuen Namen bekommen, verrät Haller. Zudem sei in Rosdorf eine Vergrößerung der Produktpalette geplant – so soll der XBus, den Electric Brands baut, einen kleinen und großen Bruder bekommen, auch ein elektrischer Reiseroller soll kommen. Vorausgesetzt, das mit der Fläche klappt, fügt er hinzu.
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Der Artega Karo erreichte keine Produktionsreife – nun wird er unter neuem Namen in Rosdorf gebaut.
© Quelle: Sebastian Geisler
Der Elektroflitzer, dessen Produktion nun bald in Rosdorf gestartet ist, soll mit einer Aufladung eine Reichweite von etwa 200 Kilometern haben. Mit 2,48 Metern Länge und 1,50 Metern Breite ist der Stadtflitzer, der eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h erreichen soll, außerdem gut händelbar. Und ein weiteres Detail erinnert an die Isetta: Die einzige Tür befindet sich vorne, sie schwingt nach oben und zur Seite auf. Diese Konstruktion brachte dem Fahrzeug vor mehr als 60 Jahren neben „Knutschkugel“ auch den Spitznamen „Adventsauto“ ein, frei nach dem Kirchenlied aus dem 17. Jahrhundert: „Macht hoch die Tür, das Tor macht weit“, heißt es darin. Nun wird das Tor zur Neuauflage des Kultautos wieder geöffnet – und das in Rosdorf.
Quelle: www.goettinger-tageblatt.de