Carlos Tavares hat früher die französische PSA-Gruppe geleitet (Citroën, DS, Opel, Peugeot), die er im letzten Jahr mit Fiat Chrysler zum Stellantis-Konzern verschmolz. An der Spitze des viertgrößten Autoherstellers treibt der 63-jährige Portugiese die Elektrifizierung aller 14 Marken voran, der E-Mobilität steht er aber weiter zwiespältig gegenüber.
Tavares hat wiederholt gewarnt, dass ein Misslingen der Transformation hin zu Elektroautos zu sozialen Verwerfungen führen könnte. In einem Interview mit dem Handelsblatt bekräftigte der Manager im neuen Jahr seine Skepsis. Es bestehe das Risiko, dass sich Teile der Mittelschicht später keine Neuwagen mehr leisten können. Vor allem die Elektroantriebe, die 50 Prozent teurer seien als Verbrenner, würden die Preise in die Höhe treiben.
Er respektiere, dass die Politik das Ende des Brenners forciere, so Tavares. Stellantis strebe an, unter den neuen Rahmenbedingungen zu den Besten zu werden. Er betonte aber: „Die Elektrifizierung ist die Technologie, die von der Politik gewählt wurde, nicht von der Industrie.“ Es hätte billigere und schnellere Methoden zur Reduzierung von Emissionen gegeben. Die gewählte Methode lässt den Autoherstellern keine kreative Freiheit, um andere Ideen als die Elektrifizierung einzubringen. Es sei eine politische Entscheidung.
Die Herausforderung sei nun, die zusätzlichen Kosten für Elektroautos in den Jahren so weit wie möglich zu begrenzen. Dafür sei eine Produktivitätssteigerung erforderlich, wie sie die Automobilindustrie besonders in Europa nicht gewohnt sei. In ein paar Jahren werde man sehen, welche Hersteller überleben und welche nicht. „Und wir dürfen wie gesagt nicht das Risiko aus dem Blick verlieren, dass wir die Mittelschicht verlieren, wenn die keine Autos mehr kaufen können. Das wird soziale Folgen haben“, unterstrich Tavares.
Elektrifizierung muss sich noch beweisen
Der Stellantis-Chef glaubt, dass sich erst in zehn oder 15 Jahren zeigt, welche Ergebnisse die Elektrifizierung tatsächlich für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen bringt. Man würde den ganzen Lebenszyklus der Antriebsart betrachten, dazu gehörte eine umfassende Herangehensweise bei der Klimafreundlichkeit des Zugriffen Stroms, sagte er. Man sollte auch über den CO2-Fußabdruck der Batterie sprechen. Beim europäischen Energiemix müsste ein Elektroauto 70.000 Kilometer fahren, um die schlechte CO2-Bilanz der Batterieherstellung auszugleichen „und die Lücke mit einem Hybridauto zu vergrößern“. Und ein Hybridwagen ist halb so teuer wie ein E-Auto.
Damit Elektroautos voraussichtlich bleiben, müssten die aktuellen Subventionen in vielen Ländern bis mindestens 2025 mindestens 2025 bleiben, so Tavares. Er glaubt allerdings nicht, dass die Staaten den Verkauf von Elektrofahrzeugen weiter auf dem derzeitigen Niveau – in Deutschland gibt es bis 6000 Euro Zuschuss – subventionieren können. Das sei aus Sicht der Haushaltspolitik nicht tragbar. Es gehe auch hier wieder um das soziale Risiko.
Die EU-Kommission plant für 2035 Emissionsvorgaben, die faktisch ein Verbrenner-Verbot bedeuten. Man müsste daher sehr schnell mit der Transformation aller Fabriken beginnen, erklärte Tavares. Stellantis habe damit bereits begonnen, denn ohne einen direkten Übergang würden die sozialen Folgen groß sein. Das betreffe nicht nur den Autokonzern, sondern auch das System an Zulieferern um ihn herum, die genauso schnell handeln müssten.
Tavares verteidigte auch die Sanierung des 2017 übernommenen Herstellers Opel: „Es wird viel von dem kritisiert, was wir bei Opel seit 2017 gemacht haben. Was aber niemanden stört, ist, dass Opel jetzt Geld verdient hat.“ Als Opel noch zum US-Konzern General Motors gehörte, habe das Rüsselsheimer Unternehmen Milliardenverluste geschrieben. Stellantis wolle es weiter vermeiden, Werke zu schließen. Die Zukunft der Standorte werde aber auch von den politischen Rahmenbedingungen zur Dekarbonisierung in Europa und deren Folgen für den Automobilmarkt abhängen.
Quelle: ecomento.de