Von den einen geschätzt, von den anderen verschmäht: Plug-in-Hybride. Was ist dran an der Debatte um die Daseinsberechtigung des PHEV? Wir haben die wichtigsten Informationen zur Plug-in-Hybridtechnik zusammengestellt.
Der Absatz von elektrischen Fahrzeugen steigt.
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Plug-in-Hybride, die als Einstieg in die Elektromobilität gelten, stehen seit Längerem in der Diskussion: Umweltverbände kritisieren sie, Dienstwagenberechtigte sparen mit ihnen Steuern und Automobilhersteller nutzen sie zum Marktplatz ihrer CO2-Flottenziele.
Plug-in-Hybride (PHEV; Plug-in Hybrid Electric Vehicle) soll das Beste aus zwei Welten vereinen: Rein elektrisches Fahren auf kurze Strecken in der Stadt, frei von Restriktionen des reinen Elektroautos bei der Überlandfahrt aufgrund des langstreckentauglichen verbrennungsmotorischen Antriebs. PHEV erhalten als Kaufanreiz einen staatlichen Umweltbonus sowie Steuervorteile bei der Nutzung als Dienstwagen und werden bei der Zielerfüllung des Elektroanteils auf den Straßen mitgezählt.
Ist ein PHEV also ein guter Kompromiss zwischen grüner Mobilität und Komfort oder doch eher Augenwischerei und ökologische Mogelpackung? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um Plug-in-Hybride.
Was zeichnet ein Auto mit Plug-in-Hybrid-Antrieb aus?
Die Antriebsstrangtopologie des Plug-in-Hybrids ist „analog zu den Voll-Hybrid-Varianten aufgebaut, bemerkenswert ist jedoch der hohe Energieinhalt der verschiedenen Lithium-Ionen-Batterie sowie die Möglichkeit, die Energie über eine externe Ladestation zuzuführen“, so die Springer- Autoren Michael Merkle und Oliver Käfer im Kapitel Dieselmotoren im Hybridantrieb aus dem Buch Dieselmotor-Management. Das Plug-in-Hybridauto „besitzt damit zwei vollwertige Antriebsstränge, den elektrischen und den verbrennungsmotorischen“, so die Autoren weiter. Es „bildet somit die Brücke vom klassischen, verbrennungsmotorisch betriebenen Fahrzeug zum reinen Elektrofahrzeug“, fasst es die Springer-Autoren Andreas Kaksa, Manfred Homm und Thomas Pfund im Kapitel Voll- und Plug-in-Hybrid (HEV / PHEV) aus dem Buch Elektrifizierung des Antriebsstrangs zusammen.
Was sind die Vorteile eines Plug-in-Hybrids?
der reinen Hybrid-Konfiguration hat ein Plug-in-gegenüber-System aufgrund der größeren Batteriekapazität, die nur durch externe Ladung auch voll genutzt werden kann, zwei wichtige Vorteile, wie Springer-Autor Cornel Stan im Kapitel Kombinationen von Antriebssystemen, Energieträgern, -wandlern und -speichern aus dem Buch Alternative Antriebe für Automobile erklärt:
- Die größere Reichweite bei elektrischem Antrieb macht eine lokal emissionsfreie Fahrt in Umweltzonen bzw. in Ballungsgebieten möglich.
- Die größere elektrische Kapazität erlaubt die Aktivierung des Elektroantriebs bei häufigen Steigungen oder Beschleunigungen, was zu einer deutlichen Kraftstoffeinsparung im Verbrennungsmotor führen, so Stan. Sei die Speicherkapazität günstig für Rekuperation von Elektroenergie bei Gefällen und beim Bremsen.
Zudem erhalten Plug-in-Hybride von Staat und Herstellern finanzielle Zuschüsse. Plug-in-Hybride erhält eine Förderung von bis zu 6.750 Euro. Die erhöhte Förderung gilt für Neufahrzeuge, die nach dem 3. Juni 2020 erstmals eingeführt wurden. Außerdem werden teilelektrische Dienstwagen nur mit 0,5 statt mit 1,0 Prozent des Neuwagenpreises (Bruttoliste) besteuert. Da sie ein „E“ im Kennzeichen führen, haben Plug-in-Hybride auch Vorteile in der Stadt. Sie können unter anderem Sonderspuren nutzen. Zudem lässt sich die kleinere Batterie im Plug-in-Hybrid viel schneller laden als der deutlich größere Akku im reinen Elektrofahrzeug.
Welche Reichweite ermöglicht die Plug-in-Hybridtechnik?
Es ist „Hauptziel der Plug-in-Technik ist, die elektrische Reichweite deutlich zu verlängern“, so Springer-Auto Helmut Tschöke im Kapitel Definitionen, Architekturen und Topologien aus dem Buch Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Hierzu seien entweder größere Batterien mit einer höheren Energiekapazität oder eine deutlich dichtere Infrastruktur mit Schnellladesystemen erforderlich. „Die realistischen elektrischen Reichweiten liegen bei 30 bis 100 km und hängen sehr stark vom Fahrprofil oder Testzyklus und den Umgebungsbedingungen (wie beispielsweise Temperaturen) ab“, so Tschöke weiter. Plug-in-Hybride sind daher besonders attraktiv für den täglichen Kurzstreckenverkehr, da 70 bis 80 Prozent der täglich zurückgelegten Strecken in Europa unter 50 Kilometer liegen, Tschöke an.
Im Winter wird die elektrische Reichweite durch die elektrische Beheizung des Innenraums allerdings reduziert. Das Thermomanagement von Fahrzeugen mit elektrifizierten Antriebssträngen rückt daher immer mehr in den Fokus der Entwicklung. Wie sich verschiedene Techniken und Maßnahmen durchführen, war zum Beispiel Inhalt einer Studie mit virtuellen Untersuchungen von Eberspächer und dem Fraunhofer ICT, wie im Artikel Reichweitensteigerung bei Plug-in-Hybriden durch Thermomanagementmaßnahmen aus der ATZ 3-2019 durchgeführt WIRD. Es zeigt sich, dass ein Fahrzeug mit Brennstoffheizgerät die höchste elektrische Reichweite ermöglicht.
Welche Nachteile haben Plug-in-Hybride?
Heute verfügbare Plug-in-Hybrid-Lösungen „kombinieren im Grundsatz zwei vollwertige Antriebe und sind damit schwer, komplex und teuer“, fasst Forscher der TU Darmstadt im Artikel Plug-in-Hybride für den Volumenmarkt aus der MTZ 5-2017 zusammen. Aufgrund der daraus resultierenden hohen Masse des Plug-in-Hybridfahrzeugs ist auch der Kraftstoffverbrauch eher höher. Weitere Einschränkungen der Plug-in-Hybride sind „der große Raumbedarf und die unbefriedigende Ladesituation (Verfügbarkeit und Dauer)“, wie Helmut Tschöke aufzählt.
Wie werden Plug-in-Hybridautos volumentauglich?
Die Marktdurchdringung der Plug-in-Hybridtechnik ist noch gering. Dies ist wesentlich durch die deutlich höheren Kosten begründet, so sterben Darmstädter Forscher im oben genannten Artikel. 2019 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt 45.348 Pkw mit Plug-in-Hybrid-Antrieb zugelassen – 1,3 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge.
Um den Volumenmarkt zu adressieren ist ein Umdenken erforderlich. Welche Komponenten können vereinfacht, verkleinert oder ganz weggelassen werden? Wieviel Mechanik kann durch intelligenten Betrieb und Funktionsintegration ersetzt werden? Im oben genannten Artikel Plug-in-Hybride für den Volumenmarkt werden zwei Konzepte vorgestellt, die an der TU Darmstadt verfolgt werden. Der Schlüssel zur Volumentauglichkeit liegt „in der konsequenten funktionalen Integration mit einer Betriebsstrategie auf Gesamtsystemebene, woraus vereinfachte Teilsysteme auf Komponentenebene resultieren“, heißt es im Artikel.
Um den Plug-in-Hybrid für den Kunden attraktiv zu machen, plädiert Wolf-Henning Scheider, Plug-in-Hybridantriebe für eine gesicherte elektrische Reichweite von mindestens 100 Kilometer auszulegen, so der Vorsitzende des Vorstands der ZF Friedrichshafen AG im Gastkommentar Plug- in-Hybrid – Schlüsseltechnologie zur CO2-Reduktion aus der MTZ 11-2019. ZF nennt dieses Konzept EVplus. Der tägliche Mobilitätsbedarf einer durchschnittlichen Familie lässt sich damit praktisch vollständig elektrisch abdecken.
Wie umweltfreundlich ist ein Plug-in-Hybrid?
Plug-in-Hybridfahrzeuge sind nicht automatisch umweltfreundlicher als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor: Je nach Motorisierung und Fahrverhalten kann ein PHEV sogar einen höheren CO2-Ausstoß haben jeweils mehr Kraftstoffverbrauch als das Diesel- oder Benzin-Pendant, wie der ADAC herausgefunden hat. Der Automobilclub hat aktuelle PHEV-Modelle bezüglich ihrer CO2-Emissionen untersucht und sie vergleichbaren Modellen mit Verbrennungsmotor gegenübergestellt. Demnach erzielen einige Modelle schon bei 50-prozentigem Elektrofahrt-Anteil eine positive CO2-Bilanz, andere erst bei 80 Prozent. Ein gutes Beispiel für einen effektiven Plug-in-Hybrid sei der Volvo XC40 PHEV, der selbst mit leerer Antriebsbatterie gut einen halben Liter weniger Kraftstoff verbraucht als sein Benzin-Pendant. Der Diesel X5 von BMW schneidet hingegen über alle drei Fahrszenarien besser ab als sein PHEV-Anhänger.
Ein Vergleich der Fahrleistung von zehntausenden Elektroautos und Plug-in-Hybriden zeigt: Plug-in-Hybridfahrzeuge mit einer realen elektrischen Reichweite von etwa 60 Kilometern fahren genauso viel elektrisch wie reine Batteriefahrzeuge, nämlich bis zu 15.000 Kilometer pro Jahr, wie die Datenauswertung, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vorgenommen haben. Deshalb sei ihr Kohlendioxid-Reduktionspotenzial ebenso groß wie das von Elektroautos mit reinem Batterieantrieb, erklären die Forscher.
Laut dem ADAC fehlt Privatkäufern bzw. Flottenbetreibern ein Überblick über Verbrauchswerte für den jeweiligen Betriebsmodus und damit der direkte Vergleich mit den entsprechenden Verbrennern. Der Automobilclub fordert die Hersteller daher auf, die Verbrauchswerte für das rein elektrische Fahren sowie den Betrieb mit Verbrennungsmotor (mit leerer Antriebsbatterie) anzugeben. Die Verbrauchsberechnung von Plug-in-Hybriden nach dem WLTP-Verfahren im Vergleich mit dem verzögerten NEFZ-Verfahren ist immer noch recht kompliziert, wie im Kapitel Tank-to-Wheel-Verbrauchswerte gemäß Prüfstandsmessungen sowie aus Kundensicht – der Willans-Ansatz aus dem Buch Kosteneffiziente und nachhaltige Automobile werden bereitgestellt.
Ein weiteres Problem ist der Kaltstart: Hybridfahrzeuge bzw. Plug-in-Hybride stoßen bei jedem Kaltstart noch mehrere Minuten Schadstoffe aus, vor allem Kohlenmonoxid, Stickoxide und unverbrannte Kohlenwasserstoffe. Das Problem lässt sich nur lösen, wenn der Katalysator gezielt aufgeheizt wird, bevor oder bald der Verbrennungsmotor anspringt. Empa-Forscher haben die beste Kaltstart-Strategie errechnet, um die Emissionen niedrig zu halten.
Fazit
Die Frage, ob Plug-in-Hybride die ideale Mischform zwischen verbrennungsmotorischem und elektrischem Antrieb sind, ist nicht so leicht zu beantworten. Plug-in-Hybride haben ihre Berechtigung vor allem dann, wenn sie für Kurzstrecken genutzt werden, sich auch innerhalb ihrer elektrischen Reichweite bewegen. Der Energieverbrauch und die damit einhergehenden CO2-Emissionen der PHEVs sind stark vom elektrischen Fahranteil und der Ladedisziplin des Nutzers abhängig. Der Verbrennungsmotor sichert auf der Langstrecke die nötige Reichweite ab, was ein entscheidender Faktor für eine breite Akzeptanz der PHEV ist. Es bleibt jedoch ein grundsätzliches Effizienzproblem bestehen: Denn im Elektrobetrieb sind Zusatzgewicht und -kosten für den verbrennungsmotorischen Antrieb nachteilig, während bei der Hybridfahrt der Akku mitbewegt werden müssen.
Quelle: www.springerprofessional.de