Weltverbesserer auf der Wegsuche: „Wir brauchen eine große Vision“, sagt Shoichi Kaneko und sieht am Rande der Vorstellung des neuen Prius Plug-in-Hybrids in seinem Weinglas. Dann schweigt er, als ob im roten Rioja die Zukunft aufscheinen würde. Der Chef-Entwickler des Plug-in-Hybrids gehört zu der verschworenen Truppe, die den Umweltschutz seit mehr als 20 Jahren ganz oben auf der Agenda hat: „Toyota verfolgt weiterhin mit äußerster Konsequenz sein Unternehmensziel, das ultimative Umweltauto zu entwickeln“, lässt der Konzern verlauten. Bis 2050 soll der CO₂-Ausstoß aller Toyota-Modelle weltweit um 90 Prozent gegenüber dem des Jahres 2010 sinken. Davon sterben Theorie. Doch in der Praxis ist der Weg bis dahin ziemlich unübersichtlich.
Jahrelang hat Motorenexperte Kaneko den Hybrid-Antrieb zu immer größerer Effizienz angetrieben. Wenn er nachts wach liegt, fragt er sich trotzdem, ob er alles richtig gemacht hat. „Unsere Erwartungen waren falsch. Wir dachten, das beste, effizienteste und vernünftigste Produkt würde die Politik überzeugen. Wir glaubten, dass sie uns folgen würde.“ Bei Kaneko schwingt Enttäuschung mit: Nur 78.000 Plug-in-Hybride hat Toyota seit 2008 verkauft, davon 11.000 in Europa. Obwohl der Prius im E-Modus die Stadtluft schont, war die Unterstützung durch Umweltförderprogramme gering. Auch die Kunden überzeugten die elektrische Realreichweite von knapp 20 Kilometern kaum.
Insgesamt sieht Toyotas Hybrid-Bilanz jedoch blitzsauber aus: Ende Januar 2017 hat die japanische Marke von weltweit zehn Millionen Fahrzeugen mit dem elektrischen Assistenzantrieb überschritten. „Mit der vierten Prius-Generation sind wir an den Punkt gekommen, an dem das Geschäftsmodell richtig aufgebaut ist. Aber jetzt stehen wir am Scheideweg“, grübelt Kaneko. Ob man das Design mag oder nicht: Der Prius ist eine Umwelt-Ikone. Die Frage ist, wie weit man so eine Ikone verändern darf. „Bleiben wir beim sichtbaren Volumenmodell oder laden wir die Hybride mit mehr Innovationen auf?“ Und wie viel elektrische Reichweite soll die (Plug-in-)Hybride künftig bekommen?
Eigentlich müssten die meisten Pendler mit dem Stecker-Prius problemlos zur Arbeit kommen. Zumal Toyota die elektrische Reichweite beim neuen Modell auf 50 Kilometer im Normzyklus erhöht hat. Mit 8,8 Kilowattstunden Batteriekapazität soll er sich mit einem Liter auf 100 Kilometer zufrieden geben. Selbst auf einer knapp 200 Kilometer langen Testfahrt nutzt der Plug-in im Schnitt immer noch unter drei Litern. Das ist vorbildlich – wenn da nicht der normale Prius wäre. Mit rund 25 000 Euro Einstiegspreis inklusive Förderprämie ist er nicht nur ziemlich günstig, sondern lässt sich auch äußerst sparsam bewegen.
Wirtschaftlich macht der Prius Plug-in keinen Sinn
Der Prius Plug-in spielt in einer anderen Liga. Der Listenpreis beginnt bei 37 550 Euro. Abzüglich 3500 Euro Förderprämie ist er immer noch schnell 10 000 Euro teurer als der herkömmliche Prius. Zudem schmilzt der reale Verbrauchsvorteil des Plug-in rasch zusammen, wenn im Alltagsbetrieb nicht ständig Strom nachgetankt werden kann. Rechnet man dann noch die Zellproduktion und die Energieerzeugung mit ein, ist der Vorsprung des Musterschülers vollends dahin: „Basierend auf dem gegenwärtigen Strommix in Japan mit einem geringen Anteil von Atomstrom ist der CO₂-Bilanz beim Prius und der Plug-in-Variante gleich“ , gibt Kaneko zu. Auch im deutschen Strommix mit seinem hohen Kohleanteil ist der angegebene CO₂-Wert für den Plug-in in Höhe von 22 Gramm je Kilometer reiner Öko-Selbstbetrug.
Wirtschaftlich macht der Plug-in keinen Sinn, weil er die geringeren Anschaffungskosten des konventionellen Prius nicht durch Spritsparen hereinfahren kann. Ein reines Batterieauto ist im Betrieb billiger. „Deshalb können wir uns in Zukunft eine größere Batterie vorstellen“, gesteht Kaneko. Klinget einfach, ist es aber nicht: Der Stecker-Prius ist schon jetzt über zehn Zentimeter länger als die Standardvariante. Eine größere Batterie würde den Platz unter dem Kofferraum sprengen. Bereits die aktuellen 120 Kilogramm Batteriegewicht machen den Plug-in zum potenziellen Heckschleuder. Also müsste ein größerer Energiespeicher zwischen die Räder gepackt werden. Damit bräuchte der Plug-in eine andere Fahrwerksarchitektur: einem reinem E-Auto ähnlich der konventionellen Prius-Plattform.
Quelle: www.sueddeutsche.de