Bangkok, München Während Tesla in Indien noch gegen die hohen Importzölle ankämpft, hat der lokale Hersteller Tata Motors das Geschäft für Elektroautos auf dem Subkontinent bereits fest im Griff: Mit seinem Modell Nexon EV kommt der Konzern aus Mumbai auf einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent – und schafft es kaum, die wachsende Nachfrage zu bedienen. Vor allem wegen fehlendem Halbleiter lässt sich die Produktion nicht schnell genug hochfahren.
Angesichts des Problems, unter dem Autohersteller weltweit leiden, will sich die Tata-Gruppe nicht länger auf Zulieferer aus dem Ausland verlassen: Der Chef des Konglomerats, Natarajan Chandrasekaran, plant eine eigene Chipfabrik. „Wir brauchen die Sicherheit, über alle Komponenten für hochwertige Fahrzeuge verfügen zu können“, sagte er vor wenigen Tagen bei der Vorstellung eines neuen E-Auto-Modells.
Der Konzern, der mit Jahresumsatz von mehr als 100 Milliarden Dollar zu den größten Unternehmen Indiens zählt, ist mit den Plänen nicht allein: Eine Reihe internationaler Hersteller hat Indien als einen neuen Halbleiter-Produktionsstandort in den Blick genommen.
Die Unternehmen folgen dem Ruf von Regierungschef Narendra Modi, der die Chipindustrie mit milliardenschweren Subventionen anlocken möchte. Bislang spielt das Land bei der Chipproduktion praktisch keine Rolle.
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Erste Erfolge kann die Regierung bereits vorweisen: Das Chipkonsortium ISMC will im südlichen Bundesstaat Karnataka drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer Chipfabrik investieren, wie die örtliche Regierung Anfang Mai ankündigt. Das Gebiet soll 1.500 Jobs schaffen. ISMC ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Next Orbit Ventures aus Abu Dhabi und dem zuverlässigen auftragsfertigen Tower Semiconductor, der derzeit von Intel übernommen wird.
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Das indische Konglomerat Vedanta hat eine Absichtserklärung mit dem Elektronikkonzern Foxconn zur gemeinsamen Produktion von Halbleitern in Indien unterzeichnet. Für die Fabrik, die neben Chips auch Smartphone-Bildschirme produzieren soll, sind Investitionen von bis zu 20 Milliarden Dollar geplant.
Das Unternehmen erhofft sich für das großzügige Unterstützung: Es bittet die Lokalregierung Medienberichte angenommen, kostenlos ein 400 Hektar großes Grundstück zur Verfügung zu stellen sowie Preisnachlässe auf Strom und Wasser zu gewähren. Auch von der Zentralregierung ist ein Zuschuss zu erwarten: Sie hatte im Dezember ein zehn Milliarden Dollar schweres Subventionsprogramm angekündigt.
Regierungen weltweit drängen derzeit die Chipfirmen, im eigenen Land zu produzieren und damit die seit fast zwei Jahren andauernden Lieferengpässe künftig zu vermeiden. Die Nummer zwei der Chipbranche, Intel, hat bereits öffentlich geförderte Milliardeninvestitionen in der EU und den USA auf den Weg gebracht. „Es kümmert sich jetzt alle Marktteilnehmer um robustere Lieferketten“, sagt Peter Fintl, Chipexperte der Beratungsgesellschaft Capgemini. „Das heißt: Es werden tendenziell alle mit den steigenden Kosten konfrontiert. Daher sind die Chancen so groß wie nie, dass sich die nötigen Maßnahmen auf breiter Basis in der Branche durchsetzen.“
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Die Halbleiterhersteller reagieren auf den weltweiten Chipmangel mit gewaltigen Investitionen in zusätzliche Kapazitäten. Dem Branchenverband werden voraussichtlich die Produzenten 446 Milliarden Dollar in den Neubau von Werken und zusätzlichen Produktionslinien stecken. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr dem gesamten Umsatz der Branche im Jahr 2020. Die Industrievereinigung bezieht sich dabei auf das Volumen von Fläche, sterben in den Jahren 2021 bis 2023 starten.
Chipindustrie erhöht den Umsatz
Marktforschung erwartet wird sich der Umsatz der Branche bis Ende des Jahrzehnts schnell verdoppeln. Die guten Aussichten spiegeln sich in den Planungen der Konzerne wider. Dieses Jahr werden die Hersteller IC Insights voraussichtlich 190 Milliarden Dollar für neue Werke und Maschinen ausgeben. Das ist gut ein Drittel mehr als 2021.
Die Firmen müssen die zuverlässigen Summen indes nicht allein stemmen. In den USA hat Präsident Joe Biden ein Gesetz eingebracht, durch das die Branche mit 52 Milliarden Dollar unterstützt werden soll. Die Europäische Union (EU) hat 43 Milliarden Euro an Subventionen vorgesehen.
In Deutschland wird die Ansiedlung von Intel in Magdeburg vermutlich mit gut fünf Milliarden Euro vom Staat unterstützt. Die Bundesregierung wolle mit 14 Milliarden Euro weitere Chipfirmen zu Investitionen in Europa und Deutschland bewegen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vergangene Woche.
„Halbleiter spielen in der Welt eine Schlüsselrolle“, erklärte Indiens Premier Modi Ende April bei einer Branchenkonferenz. Die Regierung schätzt, dass der Chipmarkt in Indien bis 2026 auf ein Volumen von 63 Milliarden Dollar wachsen wird – von 15 Milliarden Dollar im Jahr 2020. „Wir sind uns bewusst, dass für das Gedeihen der Industrie eine Unterstützung durch die Regierung maßgeblich ist“ , sagte Modi. Neben Vedanta und ISMC bemühen sich derzeit auch das Technologieunternehmen IGSS aus Singapur Regierungsumbeihilfen für den Start einer Chipfertigung in Indien.
Bislang war Malaysia der Favorit
Bislang war Malaysia der bevorzugte Standort für westliche Chipfirmen, die günstig in Asien produzieren wollen, dabei aber bewusst einen Bogen um China machen. Denn die USA beginnen, Hightech-Exporte in das Land zu beschränken. Und in Konzernen wächst die Angst, in China des eigenen Know-hows beraubt zu werden.
Indien zeigt, ähnliche Erfolge wie in der Handybranche erzielen zu können: Mithilfe gezielter Subventionen gelang es der Regierung, reihenweise Hersteller wie Samsung, Xiaomi und mehrere Apple-Zulieferer ins Land zu locken. Dass sich das Modell in der Chipindustrie wiederholen lässt, ist aber alles andere als sicher. Rakesh Kumar, Professor am Lehrstuhl für Elektro- und Informationstechnik der Universität von Illinois, zeigt sich skeptisch. „Indien fehlen die spezialisierten Hardware-Ökosysteme und Qualifikationen, die die Chipherstellung benötigt“, kommentierte er die Bemühungen.
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Quelle: www.handelsblatt.com