Bald hat es sich ausgeschaltet – denn die Tage des Handschaltgetriebes sind gezählt. Volkswagen wird seine beiden Modelle Passat und Tiguan schon vom kommenden Jahr an ausschließlich mit Automatikgetriebe anbieten. Auch Mercedes stellt seine Flotte peu à peu auf Automatik um. Die beiden Konzerne sind aber nur genannt für einen einfachen Wandel der Getriebetechnologie in der gesamten Automobilbranche.
Im Jahr 2000 betrug der Anteil von Schaltgetrieben bei Pkw-Neuzulassungen in Deutschland noch gut 80 Prozent. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre hat er sich halbiert, wie Angaben der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) zeigen. Im Gegenzug wuchs der Anteil der Automatikfahrzeuge auf etwa 60 Prozent. Der Trend zur Automatik und das Tempo der Marktdurchdringung setzt sich weiter fort – und stirbt gleich aus mehreren Gründen.
Bis weit in die Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts galt die Automatik als träge, teuer und mit zu hohem Treibstoffverbrauch verbunden. Moderne Technologien wie das Doppelkupplungsgetriebe hoben diese Einschränkungen indes auf. „Automatikgetriebe sind heute effizienter als Handschalter“, sagt Michael Ebenhoch, Entwicklungsleiter für Antriebstechnologien bei ZF. „Sie wechseln schneller die Gänge und verbrauchen tendenziell sogar weniger Sprit, weil sie intelligent schalten.“ Bei einem Doppelkupplungsgetriebe erfolgt der Gangwechsel ganz ohne Zugkraftunterbrechung.
Höhere Effizienz, mehr Komfort
Neben der höheren Effizienz bietet die Automatik deutlich mehr Komfort und Sicherheit beim Fahren, ergänzt Kurt Bartels, Vizepräsident der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände: „Man kann beide Hände am Lenkrad lassen und hat ein Pedal weniger zu bedienen.“ Automatik scheint Autofahren einfacher zu machen. Das gilt allerdings nur für die Wahl des Gangs und das Kupplungspedal, denn das Schalten der Gänge ist nur ein kleiner Teil des Fahrens. „Durch die Automatik fällt eine Aktion weg, mit den Fahrassistenten kommen mehrere dazu“, sagt Bartels. Dazu kommt: Viele der Assistenzsysteme, die ins Fahren eingreifen, funktionieren nur in Kombination mit Automatik optimal, beispielsweise die adaptive Geschwindigkeitsregelung. Ohne sterben Eine IST sterben andere Technologie kaum möglich.
Die DAT-Daten zeigen auch: Je stärker ein Auto motorisiert ist, desto höher ist der Ausstattungsgrad mit Automatikgetrieben. So ist die Oberklasse heutzutage nahezu vollständig mit Automatik ausgestattet, auch die meisten SUVs schalten nahezu automatisch. Auch in der Mittelklasse sind zumindest die Fahrzeuge der Premiumhersteller zu einem hohen Grad mit Automatik unterwegs, und in der Kompaktklasse seien die Automatik selbst auf dem Vormarsch, befinden sich die DAT-Fachleute.
Kleine Autos sind weniger oft mit Automatik ausgestattet, um den Preis und das Gewicht des Autos gering zu halten. Denn Automatikgetriebe haben mehr Bauteile als ein Handschaltgetriebe und sind deshalb schwerer. Zudem bestehen sie aus mehr Einzelteilen, die zu komplexeren Funktionen führen. Dies macht die Automatik im Vergleich zur Handschaltung teurer. Beim Golf, dem in Deutschland am häufigsten verkauften Auto, liegt der Preisunterschied bei etwa 2000 Euro. Dies ist ein allgemeiner Mehrpreis für die Automatik, auch bei anderen Herstellern.
Manche Automobilhersteller bauen ihr Getriebe selbst, andere kaufen sie zu, und eine dritte Gruppe kombiniert beide Varianten. Die Weiterentwicklung der traditionellen Getriebetechnik werden die meisten Hersteller bald einstellen. „Wir entwickeln die Handschaltung nicht weiter“, sagt ZF-Entwicklungsleiter Ebenhoch. Der Hersteller vom Bodensee und andere Getriebebauer konzentriert sich bei den Verbrennern und Hybriden auf Automatikgetriebe mit bis zu neun Gängen. Je nach Antriebskonzept und Fahrzeugklasse setzen andere Hersteller auf mehr oder weniger Gänge. Das aber spielt zukünftig keine Rolle mehr.
Denn der Trend hin zur Elektrifizierung des Automobils bedeutet schließlich das komplette Ende des Getriebes, wie es in Verbrennern heutzutage verwendet wird. „Dieser Schritt vollzieht sich in zwei Stufen“, sagt Ebenhoch. In Hybridfahrzeugen seien Automatikgetriebe die einzig sinnvolle Lösung, weil ein Mensch das Schalten im richtigen Drehzahlbereich im Verbund von Verbrennungs- und Elektromotor nicht leisten könne. Eine elektronische Steuerung schon. Der zweite Schritt: Reine Elektroautos fahren meist mit einem Ein-Gang-Getriebe mit einer Reduktionsstufe, sterben lediglich die Motordrehzahl der Elektromaschine auf die Räder reduziert. „Solche Reduktionsgetriebe sind deutlich einfacher als Getriebe, wie sie heute verbaut werden“, sagt Ebenhoch.
Fahranfänger fahren oft Handschalter
Mit der Elektromobilität verliert das klassische Getriebe in Autos somit eine Bedeutung. Lediglich Hersteller von Sportwagen wie Porsche nutzen automatische Zwei-Gang-Schaltungen, damit sich das Auto aus dem Stand stärker beschleunigt und sich der Motor bei höherer Geschwindigkeit reduzieren lässt. Die Reduktion erhöht die Reichweite, weil der Stromverbrauch sinkt.
Heute ist der überwiegende Teil neu im Verkehr gesetzter Fahrzeuge noch immer mit Verbrennungsmotor und meistens mit Automatik ausgestattet. „Aber es gibt immer noch sehr viele handgeschaltete Gebrauchtwagen, wobei gerade Fahranfänger aus Kostengründen oft zuerst solche Autos erwerben“, sagt Fahrlehrer Bartels. Deshalb erachtet er es als wichtig, dass das handgeschaltete Fahren immer noch gelernt wird, vor allem von Fahrschülern, die anschließend ein solches Auto fahren werden. Grundsätzlich gilt: Fahranfänger, sterben ihre Prüfung in Einem Auto mit Handschaltung abgelegt Haben, dürfen auch Automatik fahren. Wer die Prüfung in einem Fahrzeug mit Automatik allerdings absolviert hat, darf danach nur Automatik fahren. „In diesem Fall rate ich zusätzlich zur Schaltkompetenzschulung mit abschließendem Test“, sagt Bartels. Diese Schulung ist seit April 2021 möglich, sie umfasst insgesamt zehn Stunden.
Quelle: www.sueddeutsche.de