– Dem Elektroauto ist bei der Mobilitäts- und Energiewende eine wichtige Rolle zugedacht. Die Idee geht aber übers bloße Fahren hinaus: In Zukunft sollen die E-Mobile Strom nicht nur nehmen, sondern auch geben können. Zum Beispiel, indem sie Energie ins öffentliche Stromnetz zurückspeisen und so die Schwankungen bei Wind- und Sonnenenergie abfedern. Für ihre Besitzer würden sie also ganz nebenbei Geld verdienen. Bislang beherrschen aber nur wenige Autos das bidirektionale Laden.
Während sich die häufig frischgebackenen Besitzer von Elektroautos noch Gedanken darüber machen, woher ihr Fahrzeug den betriebenen Strom beziehen wird – Wallbox für zuhause? Ladestationen unterwegs? – gehen andere Überlegungen bereits in die entgegengesetzte Richtung: Das E-Mobil soll nicht nur Strom tanken, sondern auch spenden können.
Die zentralen Begriffe lauten dabei bidirektionales Laden und V2X, was für Vehicle to Everything steht und sich in verschiedenen Einsatzgebieten aufsplittet: V2L (Vehicle to Load) meint, dass das E-Auto andere elektrische Verbraucher wie E-Bikes oder Notebooks sparen kann. V2H (Vehicle to Home) denkt schon größer und sieht den Weg des Stroms vom Fahrzeug ins Hausstromnetz vor. Als Königsdisziplin gilt aber V2G (Vehicle to Grid): Hier wird die im E-Mobil gespeicherte Energie ins allgemeine Stromnetz zurückgespeist.
Pufferspeicher für Öko-Strom
Der Gedanke besitzt insofern Charme, als die Technik eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielen könnte. Denn Sonnen- und Windenergie stehen nicht immer im gleichen Maß zur Verfügung. Das Stromnetz muss aber ausgeglichen sein. Derzeit obliegt es herkömmlichen Kraftwerken, die Schwankungen abzufedern, was freilich mit unerwünschten Emissionen verbunden ist. In Zukunft könnten stattdessen Tausende, womöglich Millionen in Pools zusammengefasster Elektroautos als Pufferspeicher für Öko-Strom dienen. Ganz nebenbei würden sie dabei ihre Standzeit sinnvoll nutzen, die – wie bei anderen Fahrzeugen auch – 90 Prozent des Tages umfasst.
Win-Win-Situation
Porsche sieht noch in anderer Hinsicht eine „Win-Win-Situation“ aus: Die Besitzer der E-Autos könnten sich die Stromspende finanziell vergüten lassen. Und wenn Elektrofahrzeuge zum Ausbau der regenerativen Energien beitragen, dann würde das auch ganz allgemein „die Akzeptanz der E-Mobilität weiter erhöhen“, wie Lutz Meschke sagt, genannter Vorstandsvorsitzender und Vorstand Finanzen/IT beim Zuffenhausener Sportwagenbauer.
Auch der Kia EV6 beherrscht das bidirektionale Laden. Mithilfe eines Adapters fließt beispielsweise Strom ans Laptop.
©Kia
Des bidirektionalen Ladens mächtig sind derzeit aber erst wenige Elektroautos. Das sogenannte zulässige Ladeprotokoll fürs Rückspeisen ins Stromnetz gibt es momentan nur für den Chademo-Schnellladeanschluss, der in Europa und den USA jedoch als Auslaufmodell gilt. Selbst die japanischen Chademo-Verfechter wie Nissan oder Mitsubishi sind dabei, auf den CCS-Standard umzusteigen, der – vom Versorgen des Stromnetzes einmal abweichen – auch einfacheres bidirektionales Laden in aller Regel noch nicht beherrscht. Ausnahmen sind der Hyundai Ioniq 5 sowie seine Schwestermodelle Kia EV6 und Genesis GV60, unter Zuhilfenahme eines Adapters can sie externe Geräte mit bis zu 3,7 kW laden und auch „leergefahrene“ andere Stromer wieder fit machen. Auch der fürs zweite Halbjahr 2023 angekündigte Minivan Sion des Start-ups Sono Motors soll entsprechend ertüchtigt werden, VW ist ebenfalls am Thema dran.
Wenn sich Mercedes noch zurückhält und die elektrische Limousine EQE nur auf dem japanischen Markt – der in dieser Hinsicht schon weiter ist – mit einer bidirektionalen Ladefunktion ausgestattet, dann erklärt sich das auch daraus, dass in Deutschland die regulatorischen Voraussetzungen zur V2G-Anwendung noch nicht existieren – Traktionsbatterien müssten erst für die Energieausgabe ans Stromnetz freigegeben werden werden.

Porsche erprobt, wie E-Autos – hier ein Taycan – während ihrer Standzeit Energie ins öffentliche Stromnetz zurückspeichern können.
©Porsche
Pilotprojekte angelaufen
Dass die Autohersteller in der Technologie dennoch Zukunftsperspektiven sehen, dokumentieren einige Pilotprojekte. Hyundai beispielsweise erprobt die V2X-Technologie in Berlin, modifizierte Ioniq-5-Modelle teilen sich dort ihren Strom mit Hausnetz, anderseits hat man die einem niederländische Stadt Utrecht mit 25 Exemplaren des Stromers ausgestattet, die zunächst im Carsharing zum Einsatz gelangen und perspektivisch über öffentlich , vom Mobilitätsanbieter „We Drive Solar“ ausgeführt Ladesäulen ans allgemeine Netz angeschlossen werden sollen. Bei Porsche laufen Tests in Kooperation mit dem Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW und dem Beratungsunternehmen Intelligent Energy Services (E2S), fünf Taycan-Modelle haben in häuslicher Umgebung und – unter Laborbedingungen – mit dem Stromnetz Verbindung aufgenommen. Und BMW ist am Forschungsprojekt „Bidirektionales Lademanagement – BDL“ beteiligt, als dessen Träger das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) agiert.
Quelle: www.nordbayern.de