Neben der Corona-Pandemie erschwert nun auch der Angriff Russlands auf die Ukraine das Geschäft der Automobilindustrie enorm. Der Krieg in Europa sorgt insbesondere für einen Mangel an Kabelbäumen, die im großen Umfang in der Ukraine hergestellt werden. Der Engpass könnte den Umstieg der Branche auf Elektroautos beschleunigen.
Laut Interviews der Nachrichtenagentur Reuters Mit Branchenakteuren und -experten könnte die Angebotsverknappung die Pläne traditioneller Autohersteller forcieren, auf eine neue Generation leichterer, maschinell hergestellter Kabelbäume für E-Fahrzeuge umzusteigen. Dies sei ein weiterer Grund für die Industrie, den Übergang zur Elektromobilität zu beschleunigen, sagte Sam Fiorani von der Analysefirma AutoForecast Solutions.
Nissan-Chef Makoto Uchida erklärte gegenüber Reuters, dass Störungen in der Lieferkette wie die Ukraine-Krise sein Unternehmen dazu veranlassen hätte, mit Zulieferern über eine Abkehr von billigen Kabelbäumen zu sprechen. Kurzfristig haben die Automobilhersteller und -zulieferer mit der Verlagerung der Produktion in anderen, kostengünstigeren Ländern reagiert. Dazu gehört laut dem Bericht Mexiko, wo etwa Mercedes-Benz Kabelbäume bestellt haben und Einzelne japanische Zulieferer nun Kapazitäten für dieses Bauteil aufbauen würden. Auch in Ländern wie Tunesien, Polen, Serbien und Rumänien wurde die Produktion erweitert.
Die Kabelbäume in Autos sind für diverse elektrische Funktionalitäten nötig, beispielsweise die Fensterheber oder Sitzheizung. Ihre Herstellung ist arbeitsintensiv und eine rasche Umstellung der Produktion aufgrund individueller Ausführungen schwer zu bewerkstelligen. Der trotz Warnsignalen überraschend gekommene Einmarsch Russlands in die Ukraine hat daher ein neues Problemfeld für die Autoindustrie geschaffen. Der Chef der Volkswagen-Tochter Bentley Adrian Hallmark sagte Reuters, dass er ursprünglich befürchtet hatte, bis zu 40 Prozent seiner Autoproduktion für 2022 wegen Kabelbaummangels einzubüßen. „Die Ukraine-Krise drohte unser Werk für mehrere Monate vollständig zu schließen, viel länger als wir es für COVID getan haben.“
Alternative Produzenten zu finden seien kompliziert, da handelsübliche Kabelbäume aus der Ukraine aus zehn unterschiedlichen Teilen von zehn Lieferanten verschiedenen bestünden, erklärt Hallmark. Die Lieferprobleme hätten Bentleys Fokus und Investitionen auf die Entwicklung eines einfachen Kabelbaums für Elektroautos verstärkt. Die Marke hat vor, bis 2030 komplett auf E-Autos umzusteigen. Die neue Generation von Kabelbäumen, die von Elektroautobauern wie Tesla verwendet werden, kann in Abschnitten auf automatisierten Fertigungsstraßen hergestellt werden und ist leichter. „Auf das Tesla-Modell, das ein völlig anderes Konzept der Verkabelung darstellt, konnten wir nicht über Nacht umstellen“, so Hallmark. „Es ist eine intelligente Veränderung in der Kunst und Weise, wie wir Autos entwerfen.
Viele der von Reuters befragten Brancheninsider sagten, dass mit fossilen Brennstoffen betriebene Autos, denen in Europa und China Verbote drohen, nicht mehr lange genug auf dem Markt sein werden, um eine Um eine Umgestaltung für die nächste Generation von Kabelbäumen zu rechtfertigen. „Ich würde jetzt keinen Cent mehr in Verbrennungsmotoren investieren“, sagte der US-Automobilberater Sandy Munro. „Die Zukunft kommt sehr schnell.“
Quelle: ecomento.de