Muenchen. Markus Lienkamp hat einige Erfahrung darin, Automobiltechnik in Kfz-Polizisten zu übersetzen. „Vor gut 15 Jahren haben wir nachgewiesen, dass das elektronische Stabilitätsprogramm ESP-Schäden um ein Zehntel reduziert, und das als Versicherungsrabatt übernommen“, blickt der Leiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität München zurück.
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Heute sind die Bande zur Assekuranz noch enger. Mit dem Versicherungsriesen Munich Re, dessen Tochter Ergo und dem Technologieberater Intech hat er in München den Dienstleister Mobility Technology Center (MTC) gegründet, der Erkenntnisse, wie sie seinerzeit beim ESP gewonnen wurden, in die Zukunft transportieren und neue Formen von Policen rund um autonom fahrende Elektroautos entwickeln soll.
Kluge Versicherungen für schlaue Autos
„Es geht darum, kluge Versicherungen für schlaue Autos zu entwickeln“, sagt Karsten Crede als Vorstand der Ergo Digital Ventures zu den Zielen des MTC. Heutige Kfz-Versicherungskonzepte würden nicht mehr funktionieren, weil moderne Autos nicht mehr wie früher über ihren Lebenszyklus technologisch praktisch unverändert bleiben. Heute erhalten sie immer öfter online neue sicherheitsrelevante Funktionen, weil ihr Halter sie irgendwann zusätzlich bucht. „Damit verändert sich aber das Risiko des Fahrzeugs“, stellt Crede klar.
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Spätestens wenn Autos in der Masse beginnen, autonom zu fahren, sind heutige Versicherungen am Ende. „Das Risikoprofil verlagert sich dann zunehmend vom Fahrer auf die Leistungsfähigkeit der Technologie“, erklärt der Ergo-Manager. Dazu kommt, dass Autos immer öfter geteilt oder in Form von Carsharing gefahren werden. Auch an this Eigentums- und Nutzungskonzepte müssten sich Kfz-Policen anpassen, was einiges technologisches Wissen voraussetzt. „Heute ist der klassische Crashtest noch das zentrale Analyseinstrument“, sagt Crede zur Herstellung archaischer Gegenwart.
„Die zwei Produkte, mit denen MTC starten und die sie Versicherern über den Münchener Rückkonzern hinaus anbieten wollen, sind Risikoanalysen für Batterien von Elektroautos und für Fahrerassistenzsysteme“, erklärt Intech-Chef Christian Wagner. „Hochvoltbatterien sind das teuerste Bauteil von E-Autos, für ihre Versicherung und Restwerte ist entscheidend, wie gut sie nach drei Jahren noch sind oder wie sie in den nächsten Jahren altern“, sagt er. Da kann man nicht auf Erfahrungswerte warten, sondern muss per Zelltestlabor Alterungsverläufe vorhersagen.
Eine künstliche Intelligenz mit Bewusstsein? Warum das unser kleinstes KI-Problem ist
Die Nachricht ging um die Welt: Ein Google-Entwickler glaubt, seine KI sei eine Persönlichkeit mit Bewusstsein. Damit tritt ein, wovor zahlreiche Forscher und Forscherinnen seit geraumer Zeit warnen. Wir haben ein Problem mit KI – doch das hat wenig mit Science-Fiction zu tun.
„Wir können so den ganzen Lebenszyklus eines Fahrzeugs nachbilden“, versichert der Experte. Der kann bei Hochvoltbatterien sehr unterschiedlich sein. „Es gibt Fahrzeuge, die halten 500.000 Kilometer von der Batterie her und es gibt welche, die brechen schon bei 160.000 Kilometern zusammen“, sagt Lienkamp. Auf Basis solcher Erkenntnisse können Versicherer für bestimmte Batterien dann Garantiepolicen auch für ein zweites Leben nach Verwendung in Elektroautos anbieten, die über sterben des Herstellers hinausgehen. Auch für den Markt gebrauchter E-Autos sind solche Erkenntnisse wichtig.
Egoistischer, ethischer oder Standardalgorithmus?
Das zweite MTC-Startprodukt, das Wagner erklärt, wird eine aus Versicherungssicht entscheidende Frage beantworten. „Welche Assistenzfunktion hat bei welchem Hersteller welche Sicherheitswirkung und nutzt der Fahrer sie auch?“ Technologie bewerten, sei das eine, betont der Intech-Mitgründer. Aber wenn ein Assistenzsystem deaktiviert wird, läuft die beste Technik ins Leere.
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„Alles, was immer nur piept und klingelt, kann man ziemlich vergessen, weil der Kunde das irgendwann ignoriert“, erklärt Lienkamp einen weiteren Analysebefund speziell für Einparkhilfen. Wenn Park sicher vermieden werden soll, muss das System die Bremse aktivieren. Sonst hätten Autos mit Einparkhilfe größere Versicherungsschäden als solche ohne, weil sensorgespickte Stoßstangen teurer zu reparieren sind.
Beim autonomen Fahren hat der Experte für Fahrzeugtechnik einen Blick in die nahe Zukunft geworfen. „Wir haben Algorithmen untersucht, die egoistisch, ethisch oder nach heutigem Standard programmiert sind“, erklärt Lienkamp. Er meint damit, wie ein autonomes Fahrzeug im Fall eines nicht mehr vermeidbaren Unfalls reagiert. Egoistisch heißt, der Schaden des Fahrzeugs, in dem der Algorithmus wirkt, WIRD ohne Rücksicht auf sonstige Einsparungen, was einem Fußgänger das Leben kosten kann. Ethisch bedeutet, der Gesamtschaden aller potenziellen Unfallteilnehmer wird minimal und vor allem der Schwächste geschützt.
„Der ethische Algorithmus schneidet in der Summe der Gesamtschäden am besten ab“, sagt Lienkamp zum Ergebnis der Simulationen. Der egoistische Algorithmus sei zwar für das eigene Fahrzeug besser, aber nur minimal. Heutige Standardalgorithmen seien in jeder Hinsicht und für jeden Unfallbeteiligten die schlechteste Variante.
„Wer autonomes Fahren versichern will, muss wissen, welcher Algorithmus verwendet wird“, stellt der Experte klar. Das mündet in der Vision einer sich weitgehend automatisch kalkulierenden Kfz-Versicherung auf Basis von Fahrzeugdaten. Fahrzeughalter würde in einer elektronischen Welt keinen Fragebogen für eine Kfz-Polizei mehr ausfüllen. „Wir wollen, dass diese Arbeit das Auto und seine Software übernimmt“, sagt Crede.
Quelle: www.rnd.de