Rüssel rein, kurz warten, Rüssel raus – fertig. So geht es beim E-Auto-Laden natürlich nicht. Aber wie schnell es tatsächlich geht, haben wir in unserem Test der Ladezeiten und Ladegeschwindigkeiten herausgefunden.
E-Mobilität schön und gut, doch irgendwann muss man wieder Energie in den Akku des E-Autos laden. Dass die Ladegeschwindigkeit langsamer ist, als einen 50-Liter-Tank mit flüssigem Kraftstoff zu füllen, dürfte klar sein. Wie lang aber ist länger wirklich? Und stimmen die Versprechen von kurzen Ladestopps sowie langen Reichweiten? Das überprüfen wir exemplarisch mit einem Test von sieben unterschiedlichen Elektroautos: Renault Zoe E-Tech R135 Z.E. 50, Opel Corsa-e, VW ID.4 Pro Performance, Polestar 2 Long Range Single Motor, Mercedes EQS 580 4Matic, Kia EV6 77 kWh AWD und Porsche Taycan 4S. Mehr zum Thema: Unsere Produkttipps auf Amazon
Das würde passieren, wenn alle E-Auto fahren (Video):
Ladezeiten & Ladegeschwindigkeit von E-Autos im Test
„Ich bin 74 und habe keine Zeit mehr, die ich an Ladesäulen verschwenden könnte“, wird Rallye-Ass Walter Röhrl zitiert und spricht damit vielen Autofahrer:innen aus der Seele, wenn sie an das Laden von E-Autos denken. Denn die haben nicht immer etwas gegen ein BEV an sich, sondern fühlen sich eher durch die geringe Reichweite in Verbindung mit schlechter Lade-Infrastruktur und langsamem Ladetempo eingeschränkt. In erster Linie muss das Tanken schnell und praktisch sein, egal, mit welchem Antrieb man fährt. Dennoch sind reine Elektroautos im Straßenverkehr keine Seltenheit mehr – getrieben durch viele neue Modelle, prall gefüllte Fördertöpfe und massive Investitionen in die Infrastruktur. Der Bestand an reinen Elektrikern wuchs von Anfang 2020 zu 2021 um rund 173.000 Stück – trotz der Corona-Pandemie. Und allein im Oktober 2021 wurden 30.560 neue BEV zugelassen. Weil wir seit 1969 in aufwendigen Messverfahren Werksangaben von Autos mit Verbrennungsmotoren überprüfen, machen wir das beim Test von E-Autos, ihren Ladezeiten und Ladegeschwindigkeiten genauso. Entscheidend sind dabei aber nicht mehr nur Verbrauch und Reichweite, sondern auch das Ladetempo in der Praxis. Dafür haben wir sieben aktuelle und völlig verschiedene Fahrzeuge mit Elektroantrieb und Lithium-Ionen-Akkus ausgewählt: Renault Zoe E-Tech R135 Z.E. 50, Opel Corsa-e, VW ID.4 Pro Performance, Polestar 2 Long Range Single Motor, Mercedes EQS 580 4Matic, Kia EV6 77 kWh AWD und Porsche Taycan 4S. Alle Fahrzeuge sind mit CCS-Anschlüssen ausgestattet und deshalb schnellladefähig. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Kandidaten schnell aufladen können. Wie hoch die Gleichstrom-Ladeleistung ist, hängt von Akku-Dimension, der Betriebsspannung und der Bordelektronik ab, die genau regelt, wie viel Power der Stromspeicher unter den Füßen der Passagier:innen gerade verträgt.
Polestar 2, EQS und Taycan temperieren Batterie vor
Doch bevor wir in die Details des Ladezeiten- und Ladegeschwindigkeits-Tests der sieben E-Autos Renault Zoe E-Tech R135 Z.E. 50, Opel Corsa-e, VW ID.4 Pro Performance, Polestar 2 Long Range Single Motor, Mercedes EQS 580 4Matic, Kia EV6 77 kWh AWD und Porsche Taycan 4S.gehen, zunächst ein paar Worte zum Versuchsaufbau und ein Hinweis zur Daten-Tabelle unten. Der Test startet mit der Ermittlung von Verbrauch und Reichweite – unter den für ein E-Auto nicht gerade günstigen Bedingungen von vier bis acht Grad Celsius mit kalter Batterie und einem State of Charge (SoC-Ladestatus) von mindestens 80 Prozent. Auf unserer Standard-Verbrauchsrunde, die jedes Testauto mit eingeschalteter Klimaanlage und möglichst im Effizienz- oder Eco-Modus absolviert, geht es durch die Stadt, über Land und die Autobahn inklusive eines Volllastanteils von rund 14 Prozent mit maximal 200 km/h. Auf dem Weg zum HPC-Lader (High Power Charging) reduzieren wir den SoC auf knapp unter zehn Prozent, wobei die Akkus aller Fahrzeuge automatisch in ein für das Laden günstiges Temperaturfenster gebracht werden, das im Optimalfall etwa zwischen 20 und 40 Grad liegt. Mercedes, Polestar und Porsche temperieren die Batterie-Zellen sogar ganz gezielt vor, wenn man die avisierte Ladestation als Ziel ins Navigationssystem eingibt. Ist der Akku beim Start des Ladevorgangs beispielsweise zu kalt, regelt die Bordelektronik die Leistung herunter, um den sensiblen Speicher nicht zu beschädigen und steht dabei in ständigem Austausch mit der Ladesäulensteuerung. Denn Schnellladen mit Gleichstrom bedeutet generell Stress für eine Batterie. Und wenn es auch noch kalt ist, laufen die chemischen Prozesse sowieso langsamer, und der Minuspol kann viel weniger Ionen in einer bestimmten Zeit aufnehmen als etwa bei rund 30 Grad.
Ladeleistung steigt beim Kia EV6 erst nach fünf Minuten
Dieses Phänomen kann man sehr gut beim Kia EV6 beobachten, dessen Batterie man nicht auf eine bevorstehende Ladung programmieren kann, sondern die erst beim Ladevorgang in ein optimales Temperaturfenster gebracht wird. Im Test steigt die Ladeleistung deshalb erst nach fünf Minuten auf 200 kW, 230 kW und mehr liegen erst nach zehn Minuten an. Vor allem der Polestar 2 zeigt hier, dass die Vorkonditionierung funktioniert – er lädt im Ladegeschwindigkeit-Test schon nach zwei Minuten mit 144 kW und steigert sich vier Minuten später auf den Werkswert von 150 kW.
Renault Zoe braucht nur kurze Aufwärmphase
Dem Renault Zoe mit großer 52-kWh-Batterie reicht die Autobahnfahrt als Aufwärmphase. Gleich nach dem Einstöpseln des CCS-Steckers schnellt die Ladeleistung auf 42 von theoretisch möglichen 50 kWh hoch und verharrt dort etwa 30 Minuten, bevor die Power noch einmal kurz steigt und dann kontinuierlich abnimmt. Jedoch ist die Bestromung des Renault-Akkus eine Streicheleinheit im Vergleich zu der Kraft, mit der die Elektronen auf den 77,4 kWh fassende Akku des Kia EV6 und die optionale Performance Plus-Batterie des Porsche Taycan 4S einprasseln. Im Gegensatz zum Rest des Feldes verfügen Kia EV6 77 kWh AWD und Porsche Taycan 4S über eine Betriebsspannung von 800 Volt, sodass generell höhere Ladeleistungen erreicht und über einen längeren Zeitraum gehalten werden können. Durchschnittlich 160 (Kia) respektive 194 kW im Bereich zwischen zehn und 80 Prozent SoC schafft sonst keiner.
Mercedes EQS lädt auch mit 400 Volt schnell
Dass man aber auch mit 400 Volt schnell aufladen kann, beweist der Mercedes EQS 580 4Matic, der wie Kia und Porsche je Achse mit einer permanenterregten Synchronmaschine ausgestattet ist und dessen Akku gigantische 107,8 kWh nutzbare Energie speichern kann. Allerdings treibt der große Akku das Fahrzeug-Leergewicht und damit den Verbrauch nach oben. Zum Vergleich: Der Zoe mit halb so großer Batterie ist etwa 1000 Kilogramm leichter. Allerdings setzt der EQS seine Masse mit Allradantrieb und 855 Newtonmeter bei Bedarf so schnell in Bewegung, dass einem kurz die Luft wegbleibt – kein Wunder bei 385 kW Motorenleistung. Oder wie man früher sagte: 524 PS. Doch wir sind ja an der Ladesäule, wo allein die Ionen in der Batterie Tempo machen. Bereits nach zwei Minuten tankt der große Akku mit 200 kW, erst nach weiteren acht Minuten fällt die Ladegeschwindigkeit stetig langsam ab, sodass 80 Prozent SoC mit einer durchschnittlichen Leistung von 160 Kilowatt schon nach 30 Minuten erreicht sind – eine Minute eher, als vom Hersteller versprochen.
VW ID.4 erreicht höhere Ladeleistung als versprochen
Auch die anderen sechs Stromer patzen nicht, sondern laden von zehn bis 80 Prozent SoC wie von ihren Hersteller angegeben. Dass Kia EV6 und Polestar 2 zwei, respektive eine Minute länger brauchen, verbuchen wir unter Messtoleranz, genauso wie bei Opel Corsa-e und Renault Zoe, die das Ladeziel einen Tick schneller erreichen als im Prospekt steht. Interessant ist auch, dass der VW ID.4 hier fast genauso schnell lädt wie ein im Sommer bei 26 Grad Außentemperatur gemessener Audi Q4 e-tron 50 mit gleich großer Batterie und gleicher Ladeleistung. Diese soll maximal 125 kW betragen, allerdings kommt der VW in den ersten zehn Minuten mit 126 bis 132 kW sogar deutlich über diesen Wert.
Mercedes EQS übertrifft Herstellerangaben
Nur der Mercedes EQS liegt mit 206 von möglichen 200 kW ebenfalls über der Herstellerangabe. Volkswagen will aber noch einmal nachlegen und mit der Einführung des ID.5 auf bis zu 135 kW Ladeleistung gehen, der GTX soll sogar 150 kW schaffen. Möglich macht das eine Software-Anpassung (Version 3.0), die nach dem Start des ID.5 zum Beispiel auch für bereits ausgelieferte ID.4 zur Verfügung stehen wird. Natürlich ist mehr Ladeleistung immer besser, und von der Power, mit der die 800-Volt-Stromer von Kia und Porsche Energie saugen, können Fahrer:innen von ID-Fahrzeugen nur träumen. Allerdings zeigt ein Blick aufs Diagramm des ID.4, dass die Ladegeschwindigkeit nicht plötzlich und in Stufen abnimmt, sondern wie beim EQS langsam abflacht und der Akku zügig aufgeladen ist.
Angezeigte Reichweite bei Opel Corsa-e sinkt schnell
Anders läuft das beim Opel Corsa-e, der mit einem Spitzenwert von 91 kW die mögliche Marke von 100 kW verfehlt und dessen Ladeleistung in Zehn-Minuten-Schritten um je 10 bis 20 kW in Stufen abfällt. Trotzdem erreicht er die Werksangabe von zehn bis 80 Prozent SoC ohne Probleme. Beim Verbrauchstest allerdings ist die Vorstellung des kleinen Rüsselsheimers durchwachsen: zum einen, weil trotz serienmäßiger Wärmepumpe im Eco-Modus nicht geheizt wird, zum anderen, weil die im Display angezeigte Reichweite im Verhältnis zur zurückgelegten Strecke stark abnimmt. Das mag auch daran liegen, dass der Stellantis-Antrieb primär auf Stadt-/Land-Betrieb ausgelegt ist und der Autobahn-Volllastanteil deshalb besonders viel Energie kostet. Zwar schafft der Elektro-Corsa mit seinem 46-kWh-Akku (netto) gemäß Verbrauch (19,3 kWh/100 km) rein rechnerisch immerhin 238 Kilometer Reichweite, und ab Modelljahr 2022 sollen dank neuer Reifen, längerer Übersetzung und verbessertem Klima-Management noch ein paar Kilometer dazukommen. Jedoch verliert er auf einer Strecke von 117 Kilometern laut Bordcomputer 222 Kilometer. Zum Vergleich: Beim VW ID.4 sind es nur zwei Kilometer mehr Reichweitenverlust im Verhältnis zur gefahrenen Strecke.
Polestar 2 mit besserem Test-Ergebnis als 2020
Eine Überraschung ist an dieser Stelle der Polestar 2 mit großer Batterie und Vorderradantrieb, denn er verliert sieben Kilometer weniger Reichweite als die zurückgelegte Distanz lang ist. Dass der in China gebaute 2er jetzt deutlich effizienter fährt und schneller lädt als noch bei einem Test kurz nach Marktstart Mitte 2020, liegt auch an kontinuierlichen Verbesserungen in Form von Software-Updates – mittlerweile problemlos Over-the-Air (OTA), also per drahtloser Internetverbindung. Die letzte Version heißt P1.7 und beinhaltet neben der bereits erwähnten Möglichkeit, den Akku vorzukonditionieren, Optimierungen in den Bereichen Klima, Batterie-Thermomanagement, Rekuperation und Ladestabilität. Mit einem Patzer an der Stromtankstelle zeigt der Polestar aber auch besonders eindrücklich, was für quasi jedes Elektroauto gilt: Spätestens bei 80 Prozent SoC sollte man den CCS-Stecker abkoppeln. Denn während der 75-kWh-Akku für die Ladung von zehn bis 80 Prozent nur 36 Minuten braucht, vergehen weitere 87 Minuten, bis 100 Prozent erreicht sind. Wie die meisten Hersteller empfiehlt Polestar, die Batterie nicht über 90 Prozent zu laden, um hier Probleme zu vermeiden. Tatsächlich kann der Akku Schaden nehmen, wenn man ihn oft oberhalb von 80 Prozent SoC mit hohen Ladeströmen stresst. Dabei können metallische Ablagerungen am Minuspol entstehen. Allerdings regelt die Elektronik die Ladegeschwindigkeit bei hohem SoC so stark herunter, dass der Akku möglichst gut geschützt wird und es gar keinen Sinn hat, weiter aufzuladen. Deshalb sollte man versuchen, mit dem E-Auto immer zwischen zehn und 80 Prozent SoC zu pendeln.
Porsche Taycan lädt am schnellsten
Besonders eindrucksvoll ist hier die Vorstellung des Porsche Taycan, der dank der Optionsbatterie für 5522 Euro mit bis zu 270 kW Leistung laden kann und von zehn bis 80 Prozent SoC sehr gute 194 kW im Schnitt erreicht. 145 Kilometer Reichweitengewinn in nur zehn Minuten schafft sonst keiner, auch die Effizienz der Dynamik-Limousine ist stark. Dass wir zum Laden in Zukunft gar nicht mehr ans Kabel müssen, sondern der Stromspeicher induktiv während der Fahrt gefüllt wird, ist Zukunftsmusik. Ganz real aber, weil schon entwickelt, ist die Akku-Tausch-Station: leere Batterie aus, geladene Batterie rein – fertig. Nicht ganz so schnell wie ein F1-Tankstopp, aber flotter als das Aufladen an der HPC-Säule.
Ladegeschwindigkeit: Messwerte & technische Daten aller Test-Fahrzeuge in der PDF-Tabelle
Alle Test-Ergebnisse und technische Daten von Renault Zoe E-Tech R135 Z.E. 50, Opel Corsa-e, VW ID.4 Pro Performance, Polestar 2 Long Range Single Motor, Mercedes EQS 580 4Matic, Kia EV6 77 kWh AWD und Porsche Taycan 4S hier: >> PDF-Download
Unser Fazit
Ja, dieser Test der Ladezeiten und Ladegeschwindigkeiten von E-Autos ist nur eine Momentaufnahme, nicht immer laden die geprüften Fahrzeuge so schnell wie von uns ermittelt. Dennoch zeigen unsere Messungen, dass die Werksangaben von zehn bis 80 Prozent SoC auch außerhalb des Labors erreichbar sind und es sich nicht lohnt, den Akku über 80 Prozent zu laden, weil die Stromleistung abnimmt und die Ladezeit in keinem Verhältnis mehr zur gewonnenen Reichweite steht. Interessant ist auch, dass die Hersteller die Effizienz ihrer Produkte ständig über Software-Updates verbessern – das zeigen Vergleiche mit Tests der gleichen Fahrzeuge aus der Vergangenheit. Was unser Test jedoch auch beweist: Das Laden von E-Autos wird oft zur Geduldsprobe – nicht wegen der Technik, sondern der Infrastruktur. Immer mehr BEV treffen auf immer noch nur wenige Ladepunkte. Hier muss sich noch sehr viel sehr schnell tun. Sonst klemmt’s bei der E-Mobilität.
Quelle: www.autozeitung.de