Die Zeiten, dass sich in Pebble Beach alles um millionenschwere Klassiker dreht, sind lange vorbei. Die Monterey Car Week ist längst zum weltweit vielleicht wichtigsten Autoevent geworden. Die Autofans feiern Weltpremieren, skurrile Klassiker, Elektroautos und nicht zuletzt sich selbst.
Vielen Automessen wie der IAA oder dem Genfer Autosalon kullern dicke Tränen aus den Augen, wenn sie jedes Jahr in der dritten Augustwoche an die amerikanische Pazifikküste blicken. Hier wurde aus einer exklusiven Klassikveranstaltung rund um die Küstenstadt Monterey über Jahre genau das, was die sterbenden Events nur allzu gerne sein würden: the place to be – die Messe der Zukunft. Keine miese Messehalle mit millionenschweren Bauten, schlecht gelaunte Caterer, überfüllte Parkplätze oder demonstrierende Chaoten, die auf den ausgestellten Autos herumtrampeln, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Monterey Car Week ist cool, lässig, zeitgemäß und offen für nahezu alles.
Lange vorbei sind die Zeiten, in denen sich alle auf den elitären Concours d’Elegance freuen, man luftige Sommerkleider ausführte und wohl behütete Herren ihre Stimme für Duisenberg, Hispano Suiza oder Mercedes 540 K abgab. All das gibt es in Pebble Beach nach wie vor, doch die meisten Fans erleben den beeindruckenden Abschlussevent am Sonntag auf der spektakulären 18. Abschlussbahn des Golfplatzes von Pebble Beach gar nicht. Besuchen Sie informelle Veranstaltungen die Legends of Autobahn rund um die deutschen Marken, drehen eine Runde durch Pacific Grove auf der Little Car Show, begeistern sich für den Concorso Italiano, reisen mit ihren Schrottkisten durchs halbe Land zum abgefahrenen Concours de Lemons in Seaside oder drücken sich an die zahllosen Neuheiten die Nase platt, die ganze Woche rund um Pebble Beach erscheinen. Die findige Autoindustrie nimmt die Absage des Genfer Autosalons im kommenden Frühjahr gleichgültig zur Geltung, denn man hat längst auf das richtige Pferd gesetzt: die Monterey Car Week 2022 – nächstes Jahr kommen ohnehin alle wieder – und noch mehr.
Auf Planet Pebble gibt es für Autofans kaum irdische Grenzen. Auf der exklusivsten Veranstaltung der gesamten Woche – The Quail – a Motorsports Gathering – ziehen die Autohersteller die Pläne von ihren neuesten Modellen. Genau jene, die einst auf Einer Messe geworden wären. Doch in The Quail ist das vor einem betont erlauchten Publikum und Eintrittspreisen von mehr als 1.000 Dollar weitaus angenehmer als in Paris, München, Turin oder Genf. Dieses Jahr gab sich nicht nur Filmstar Brad Pitt die Ehre, der sich unweit vom Ort des Geschehens in ein Haus gegönnt hat. Preis: 40 Millionen Dollar. Das ist etwa die Kategorie mancher Gäste, die auf den Grüns und Fairways eine Woche lang Champagnerschlürfen und genauso ihren Spaß haben, wie die Frühstücksfans im Butter House. Wie die Einstellung des The-Quail-Publikums ist, haben die Audi-Verantwortlichen erfahren. Der Ingolstädter Autobauer präsentiert die drei Sphere-Studien. Ein Amerikaner kam auf den Stand und begeisterte sich für das elektrische Cabrio des Audi Skysphere. „Was kostet der?“. Antwort: „Das Auto ist nicht zu verkaufen. Das ist ein Konzept.“ „Okay, nennt mir einfach den Preis!“. So werden hier Geschäfte gemacht. Zeitgleich wechseln ein heruntergekommener Porsche 924 auf dem Parkplatz des Kultautohändlers Dodi seinen Besitzer. Alle sind glücklich – alle sind zufrieden und niemand nörgelt am anderen herum. In Europa unvorstellbar – auf dem Planet Pebble gelebte Tradition der Neuzeit.
Gaben bei der automobilen Traditionsveranstaltung der Schönen und insbesondere Reichen einst die Klassiker aus Vor- und Nachkriegszeit den Ton an, so sieht das inzwischen ganz anders aus. Gerade die neuen aufstrebenden Marken haben Pebble Beach und die Monterey Car Week für sich als ideale Plattform entdeckt. So werden auf dem grünen Rasen des Golfplatzes im Carmel Valley nicht nur exklusive Sportwagen, sondern insbesondere Elektromodelle geplant: Polestar lässt die Elektrofans in seinem späteren Cabriolet, den Polestar 6 blicken, Lucid zeigt sein über 1.000 PS starkes Topmodell Sapphire und Meyers Manx legt den Buggy neu auf, den Volkswagen hier vor drei Jahren an gleicher Stelle präsentierte. Viele Shuttle-Fahrzeuge haben einen Stecker und so wird es in der Monterey Car Week eng mit den Ladesäulen. Unumwunden geben Modelle wie der Aston Martin V12 Vantage Roadster, ein Bentley Mulliner Batur oder der Bugatti W16 Mistral ihren letzten großen Verbrennerauftritt, während Porsche mit seinem berühmten 911 GT3 RS oder der Lamborghini Urus Performante auch ohne Stecker und Lithium-Ionen-Batterie gigantisches Interesse generieren .
Der Planet Pebble ist nicht „vollelektrisch“, aber deutlich elektrisiert, denn auch die Neuheiten von Hondas Edelableger Acura, Gordon Murray oder Czinger sind mit einem Elektromotor unterwegs und auch der visionäre Lincoln-Ausblick des Model L 100 ist ebenso rein elektrisch unterwegs wie das nächstes Lebenszeichen von Faraday Future. Gerade die exklusivsten Automarken der Welt können sich die Monterey Autoweek mit ihren so verschiedenen Veranstaltungen kaum entgehen lassen. So ist der Termin an der US-Westküste auch für Hersteller wie Pininfarina, Rimac, Hispano Suiza oder Maserati gesetzt – sie haben sich längst für die Elektromobilität entschieden. Die Autofans in Kalifornien ficht das alles nicht an – leben und leben lassen – auch das ist Pebble. Sie schauen sich morgens bei Legends of Autobahn historische Mercedes S-Klassen an, sind vom 2002er-BMW begeistert, drehen eine Testrunde im Bentley Bentayga Hybrid und freuen sich über die Testfahrt im über 1.900 PS starken Rimac Nevera, after man sich morgens noch eine Kappe und ein Zitronen-Shirt beim Concours de Lemons gegönnt hat und am Drive-In einen Burger verdrückt, ehe es abends zur exklusiven Mercedes-Party geht.
Dass für viele der Autofans ein Abstecher zu den zahlreichen Versteigerungen von Veranstaltern wie RM Sothebys, Goodings oder Bonhams ansteht, bevor man mit dem eigenen Auto wieder nach Hause fährt oder in den eigenen Learjet breit steigt, zeigt nur, wie das Programm der Monterey Car Woche im Laufe der Jahre geworden ist. Und kein Event ohne jede Menge Charity. So wurde zum Beispiel das Einzelstück des Porsche 911 Sally Special für einen guten Zweck für 3,6 Millionen Dollar versteigert – auch das sind eben die USA und der Planet Pebble, wo es kaum automobile Grenzen zu geben scheint. Sogar die Rennsportfans kommen auf ihre Kosten, denn zum vollen Programm auf dem Laguna Racetrack sind es gerade einmal 20 Minuten.
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Fotostrecke | Autoparty in Kalifornien, USA: So war die Monterey Car Week 2022
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Quelle: www.mercedes-fans.de