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Die Welt wird unübersichtlicher, auch für uns Autoschreiber. Vor ein paar Jahren war beispielsweise die Reichweite von Plug-in-Hybriden in ihrer erschütternden Kürze schnell ermittelt. Bei Elektroautos war es meistens egal, welche der seltenen DC-Ladesäulen man ansteuerte: Spätestens an einer 150-kW-Station konnte sich der E-Tester absolut sicher sein, dass die Säule mehr liefern kann als sein Mobil verarbeiten konnte. Diese Zeiten sind vorbei. Der Genesis war auch an einer 175-kW-Station nicht ausgereizt. Wer mit dem G80 electric ausschöpfen will, was möglich ist, braucht mehr.
Peakleistung – nur die Hälfte der Wahrheit
Natürlich wusste ich schon, was auf mich zukommt. Clemens hatte in seinem Kia-EV6-Test ein Bild, auf dem bei einem SoC von 58 Prozent eine Ladeleistung von 224 kW zu erkennen war. Eine hohe Peakleistung liefern inzwischen einige Hersteller, doch sie lernen gerade, dass dies Erwartungen bei der Kundschaft weckt, die schnell enttäuscht Werden, wenn es ab 30 Prozent Füllstand mit der Ladeleistung wieder abwärts geht. Es hat also wahrscheinlich eine gewisse Berechtigung, wenn Mercedes im EQA zwar nicht mit hohen Spitzenleistungen glänzen kann, die maximale Ladeleistung aber über ein breites Fenster hochhält.
Dauerleistung
Der Hyundai-Konzern, zu dem auch die Marke Genesis gehört, geht einen anderen Weg. Die Spannungsebene von 800 Volt ermöglicht eine hohe Ladeleistung, ohne bei der Amperezahl hochgehen zu müssen. Dass daraus eine entsprechender Ladeinfrastruktur eine sehr hohe Ladeleistung erwächst, überrascht nicht. Erstaunlich ist es, wie lange der Genesis ein enormes Tempo beibehalten kann. Im Erstversuch an der 175-kW-Säule war bis zu einem SoC von 79 Prozent kein Nachlassen feststellen, erst dann ging es leicht abwärts. Zur Einordnung für alle, die nicht so häufig mit solchen Zahlen hantieren: Die meisten anderen Elektroautos sind da schon lange bei mittleren zweistelligen Ladeleistungen angekommen. Die 100-kW-Grenze unterschritt der G80 electric erst bei 85 Prozent.
(Bild: Florian Pillau)
Stundenlange Wartezeit an der Ladesäule: Vergangenheit
Schon an der 175-kW-Säule waren nach 20 Minuten 56 kWh nachgeladen, an der 300-kW-Station waren es 60. Genesis nennt eine maximale Ladeleistung von 187 kW, im Test erreichten wir bis zu 181 kW. Das dürften endgültig die Argumentationsgrundlage entziehen, die noch immer von stundenlangen Wartezeiten an den Ladesäulen erzählen. Diese Zeiten sind vorbei, wobei die Zahlen angeordnet werden müssen. Die Ladeleistungen erreichten der Genesis bei warmer Batterie, im Winter kommt dieser Strang deutlich früher an seine Grenzen. Im Dezember 2021 hatten wir einen Kia EV6 in der Redaktion, der bei Temperaturen um Null Grad auch nach 35 km über Land nicht mehr als 79 kW entgegennahm. Ein Rezept dagegen: Vor dem Aufladen die Batterie mit hohen Strömen quälen – am besten in beide Richtungen, also fleißig beschleunigen und rekuperieren.
Genesis verbaut je einen E-Motor vorne und hinten mit jeweils 136 kW. Der G80 electric ist auch jederzeit in der Lage, enorm schnell ein Tempo zuzulegen. Schluss soll erst bei 225 km/h sein, ich habe das nicht ausprobiert. Eindrucksvoller als die 4,9 Sekunden im Standardsprint erscheinen mir ohnehin die 3,2 Sekunden, die Genesis für den Sprint von 80 auf 120 km/h nennt. Die Limousine bietet Fahrleistungen wie ein Sportwagen. Wie so oft bin ich auch in diesem Elektroauto der Meinung, dass viele Fahrer auch mit deutlich weniger voll und ganz zufrieden wären. Komplett ausschöpfen lässt sich das Potenzial ohnehin nur selten.
Reisetauglich
Im G80 electric ergibt die Kombination aus gemäßigtem Verbrauch, hoher Ladeleistung und einer 87,2-kWh-Batterie eine Reisetauglichkeit, die einem Auto mit Verbrennungsmotor kaum noch nachsteht. Der Verbrauch lag zwischen 16,8 und 23 kWh/100 km. Im Schnitt kamen wir auf 18,7, der Langzeitzähler des Bordcomputers zeigte bei Übergabe 20,8 kWh/100 km an. Bei Richtgeschwindigkeit waren Reichweiten von 400 km plus x kein Problem, 300 weitere innerhalb von ein paar Minuten nachgeladen. Langsam wird es auch eng mit dieser Art der Argumentation gegen den batterieelektrischen Antrieb, zumindest in diesem Segment. Denn der Genesis ist kein Jedermann-Auto, schon das Basismodell kostet schnell 70.000 Euro.
(Bild: Florian Pillau)
Feudaler Innenraum
Für diese Summe kann der Kunde einiges erwarten, und Genesis bedient das an vielen Stellen auch. Es beginnt mit einer geradezu feudalen Materialauswahl im Innenraum, die in dieser Form kaum Konkurrenz hat. Der G80 ist innen luxuriös, und dazu tadellos verarbeitet. Unterwegs fällt auf, wie sorgsam das Auto gedämmt ist. Durch das weitgehende Fehlen von Antriebsgeräuschen treten andere in den Vordergrund, doch Genesis schirmt sowohl Abrolllärm der Reifen als auch Windgetöse ab. Es bleibt auch auf der Autobahn angenehm ruhig.
Die Federung spricht mitunter minimal zu hart an, was nur auffällt, wenn man die Besten im Segment kennt. Dann wird auch deutlich, dass der G80 trotz seiner leicht straffen Dämpferauslegung keine neuen Rekorde beim Durcheilen von Kurven aufstellen WIRD – für eine Limousine dieses Formats halte ich das für eine lässliche Sünde.
Quelle: news.google.com