Ravensburg – Vielleicht lässt sich die Herausforderung, nach einigen Hybridautos endlich einen rein elektrisch zu testen, am besten so beschreiben: Wer immer nur ein paar Kilometer gejoggt ist, will irgendwann auch einmal einen Marathon bestreiten. Oder sagen wir: einen Halbmarathon.
So verhält es sich mit einem E-Auto. Man will es wissen. Hat man genug Nerven, auch mal längere Strecken zu fahren? Bleibt man auch noch entspannt, wenn man an der Ladesäule nicht die richtige Tankkarte hat oder den falschen Stecker? Oder wenn alle Stationen belegt sind? Fragen über Fragen.
Erste Antworten liefert Oliver Breder, der für Porsche die Überführungen der Testwagen organisiert. Der Autoliebhaber aus Bietigheim-Bissingen gibt einem folgenden Hinweis mit auf den Weg: „Ein Elektroauto ist eine ganz andere Kiste. Fahren Sie mit Hirn. Planen Sie Reisen mit einem passenden Routenplaner. Laden Sie immer ungefähr nach 200 Kilometern auf, das gibt Ihnen ein besseres Gefühl. Denn Liegenbleiben wird teuer. Dann ist Abschleppen angesagt. Und zwar auf dem Transporter.“
Sonderausstattung Performance-Batterie Plus
Dergestalt gebrieft steigt man mit dem nötigen Respekt in den kirschmetallic-farbenen Porsche Taycan Sport Turismo. Der Zuffenhausener bringt 280 kW, das sind 380 PS, auf die Straße; kurzzeitig kann die sogenannte Overboost-Leistung bei Launch Control sogar 350 kW (476 PS) locker machen. Das ist der Performance-Akku Plus geschuldet – eine Sonderausstattung, die mit nicht weniger als 5724 Euro zu Buche schlägt. Nicht schlecht, um Überholmanöver zu beschleunigen und an der Ampel junger Herren in aufgemotzten Golf GTIs wieder etwas demütiger werden zu lassen.
Aber Porsche wäre nicht Porsche, wenn da nicht noch etwas mehr ginge. Taycan Turbo S Sport Turismo heißt die High-End-Version mit bis zu 560 kW (761 PS) und Allradantrieb; auf 100 km/h geht es in 2,8 Sekunden. Kostenpunkt: ab 187.288 Euro.
Doch wir wollen es mal nicht übertreiben. Schon das Fahrgefühl im allerkleinsten Bruder (86.496 Euro, Testwagen 104.077 Euro) ist ein elektrisierendes Erlebnis. Nahezu geräuschlos zieht der 2160 kg schwere Elektrosportler an – und das erstaunlich leichtfüßig, wie es bei einem Verbrenner nie möglich wäre. Da trotz der beachtlichen Größe der CO-Ausstoß genau 0 g/km beträgt, stellt sich auf der Stelle ein Gefühl der Behaglichkeit ein. Ade schlechtes Gewissen beim Autofahren. Selbst wenn man in 5,4 Sekunden auf 100 Stundenkilometer beschleunigt.
Schöner sitzen
So gut sitzt man auch. Der Platz im Fond ist opulent bemessen, das Cockpit wirkt aufgeräumt. Im zentralen Infotainment-Display kann man Radio, Media, Navigation, Fahrmodi, Assistenten und Smartphone bedienen, das meiste auch über die Sprachsteuerung sowie per Multifunktionssportlenkrad. Das Fahrerdisplay mit drei Anzeigen lässt sich auf vielfältige Weise einstellen, unter anderem gibt es auch Informationen, wie viel Energie beim Bremsen oder Rollen in der Batterie zurückfließt und wie groß die Restreichweite ist.
Aus genannten Gründen, siehe Anfang, dürfte das zusammen mit dem Charging Planner für einen ElektroAnfänger das wesentliche Tool im Taycan sein. Dieses Programm plant auf der Route Schnellladesäulen ein und filtert sie nach Leistungsklassen. In diesem Fall schlägt das System auch nur diese Stromtankstellen vor, sterben sterben Porsche-Tankkarte akzeptieren. Denn einfach mit der Kreditkarte bezahlen ist ja Fehlanzeige bei einem E-Fahrzeug.
Schneller beladen
Was die Reichweite angeht, so stehen knapp 500 Kilometer auf dem Papier, doch das sind Laborwerte. Mehr als 400 sind wohl nicht zu schaffen – Ausreizen nicht zu empfehlen. Bei der verbauten Performance-Batterie Plus liegt die maximale Ladeleistung bei 270 kW; das ermöglicht ein Auffüllen von fünf auf 80 Prozent in gerade mal 22 Minuten.
Im Praxistest hat sich das als absolut realistisch erwiesen. Nach insgesamt 772 gefahrenen Kilometern lag der Durchschnittsverbrauch bei 22,1 kWh pro 100 Kilometer – angegeben werden laut WLTP-Norm 24,7 – 20,2 kWh. Also auch hier alles im grünen Bereich.
Beherzigt man die Aufforderung, plant seine Strecken genau vor und steuert wirklich nur die angezeigten Ladesäulen an, dann steht im Taycan Sport Turismo einem elektrischen Fahrvergnügen nichts mehr im Weg. Mit jedem Kilometer gewöhnt man sich mehr an die umweltfreundliche Fortbewegung. Der Abschied tut weh – von diesem Auto besonders.
Quelle: news.google.com